Bess Bright ist erst 18 Jahre alt, als sie eine kleine Tochter zur Welt bringt. Im Jahre 1947, als ledige Mutter, ist das nicht einfach für eine junge Frau, die in ärmlichen Verhältnissen in London lebt. Es bleibt Bess nichts anderes übrig, als die kleine Clara im Founding Hospital abzugeben. Bess schwört sich und dem kleinen Mädchen, es wieder abzuholen. Sie wird eisern sparen und im Heim holen, sobald es ihre Verhältnisse zulassen. 6 Jahre danach ist es so weit!
Bess fährt zu dem Heim und will ihr Kind zu sich holen. Doch das kleine Mädchen wurde schon längst von ihrer Mutter zu sich genommen. Wie kann das sein, denn Bess ist die leibliche Mutter …. Wo ist die kleine Clara?
Der Start ins Buch hat mich schaudern lassen. Wie in einer Lotterie wird entscheiden, welche Babys im Heim für ausgesetzte Kinder bleiben dürfen. Begafft wird die Aufnahmeprozedur von einer Horde reicher Leute, die ihr Gewissen mit Wohltätigkeitsarbeit beruhigen. Mittendrin viele verzweifelte junge Mütter, die hoffen, dass ihr Kind eine Chance auf ein Leben in dem Heim bekommt. Die Alternative ist das Aussetzen der Kinder, denn die jungen Mütter und ihre Familien verdienen oft nicht mal genug, um sich selbst über Wasser zu halten. Eine tragische Geschichte mit wohl viel zu vielen wahren Begebenheiten der damaligen Zeit. Die Kluft zwischen Arm und Reich und die Unmenschlichkeit hat mich berührt und schaudern lassen. Ich war direkt froh, ist der Schreibstil eher nüchtern und sachlich gehalten und Emotionen werden oft nur dezent angedeutet.
Gerade als die Geschichte rund um Bess und der Suche nach ihrem Kind richtig in Fahrt kam, wurde ich überrascht von einem Perspektivwechsel. Nach 80 Seiten erfährt man mehr über das Leben von Alexandra. Einer jungen Frau, die in einer ganz anderen Gesellschaftsschicht lebt als Bess. Hier wird Tee im Salon aus hübschen Tassen getrunken, man hat Bedienstete und kann gemütlich nachmittags Zeitung lesen. Trotzdem ist Alexandra nicht glücklich, denn sie leidet unter Agoraphobie, deren Ursache nach und nach aufgedeckt wird. Der Begriff „goldener Käfig“ bekommt hier richtig viel Gewicht. Hier wird auch das Frauenbild der 40er Jahre deutlich. Ein befreundeter Arzt sagt zum Beispiel zu ihr: „ …. Sie können gemeinsam lesen. Oder was auch immer ihr hübschen Geschöpfe tut, um ein Zuhause heimelig zu gestalten.“
Was die beiden Perspektiven gemeinsam haben, darf und werde ich hier nicht verraten. Nur so viel: Es geht auch darum, dass Menschen mit Geld sich halt. oft mehr erlauben können, als Menschen, die in Armut leben. Ein altes Leid, das auch in der heutigen Zeit in vielen Ländern noch gang und gäbe ist.
Sehr gefallen hat mir die Figur Bess. Als Krabbenverkäuferin im Geschäft ihres Vaters, dem Gassenverkauf. weiss sie, was Leid ist. Trotzdem weiss sie, dass sie irgendwann ihr Kind bei sich aufnehmen will. Bess ist eine Kämpferin und hat ganz klar ihr Ziel immer vor Augen. Warum sie sich mit Claras Vater einlässt, wird meiner Meinung nach zu oberflächlich beschrieben. Hier hätte etwas Emotionen der Glaubwürdigkeit gutgetan.
Mich hat diese Geschichte oft sehr berührt, denn ich fühle mit einer jungen Mutter, die aus der Not heraus ihr Kind in ein Heim geben muss, mit. Und als sie mit eisernem Willen endlich den Punkt erreicht hat, um ihr Kind zu sich zu nehmen, wieder enttäuscht zu werden …. das ist hart!