Für mich sind Klamotten eine Notwendigkeit: natürlich mache ich mir Gedanken, wie ich aussehe und welche Kleidungsstücke in eine bestimmte Situation passen. Aber ich bin kein modischer Mensch und daher habe ich bisher auch kaum Bücher über die Geschichte der Mode gelesen (spontan fällt mir nur eine Romanbiografie über Coco Chanel ein, die jedoch eher auf ihr Parfüm konzentriert ist). An Frühjahrskollektion hat mich daher weniger angesprochen, dass es um die Modewelt der 1960er geht und mehr, dass die Verflechtungen von Modewelt und Nazis.
Koschmieder macht es den Leser*innen in einem Punkt leicht: keine der Hauptfiguren – Lilo, ihr Mann Harry und die Tochter Reni – ist wirklich sympathisch. Für jede der Figuren ergibt sich das aus anderen Umständen. Lilo und Reni sind unfassbar oberflächlich, beurteilen andere Menschen vorrangig danach, inwiefern sie ihnen nutzen können. Harry ist zwar seiner Tochter sehr zugetan, aber zugleich überhaupt nicht gewillt, für diese oder sich selbst wirklich einzustehen. Dadurch hält sich das Mitleid mit ihnen, als die Machenschaften Lilos während des Krieges zu Tage kommen, in Grenzen.
Frühjahrskollektion befasst sich mit einem Thema, über das ich bisher kaum etwas wusste und das sehr spannend ist. Koschmieder nimmt dabei jene in den Blick, die sich nach Kriegsende damit herausredeten, dass sie „eigentlich nichts schlimmes gemacht haben“. Dass sie aber eben doch Teil eines Systems waren, das, im Fall von Lilo und Harry, die jüdischen Menschen im Getto von Łódź ausbeutete, wird hier aufgezeigt.
Was mich an Frühjahrskollektion störte, war, dass alles, was im Klappentext erwähnt wird, erst auf den letzten Metern geschieht. Bis dahin zog es sich stellenweise und ich habe darauf gewartet, dass nun endlich passiert, was angekündigt wurde.
Der Schwerpunkt lag in meinen Augen daher weniger auf dem, was Lilo und Harry während der Nazizeit machten und mehr auf dem Leben der Familie in den 1960ern.
Letzteres führt dazu, dass ich Frühjahrskollektion vor allem jenen ans Herz lege, die ein Interesse an der Modewelt und ihrer historischen Entwicklung haben. Denn das Buch gewährt Einblicke in die Welt der Models und Mannequins der damaligen Zeit und wie sich diese Mitte der 60er veränderte; welche Umbrüche damals zu sehen waren, die auch abseits der (nicht ganz so glamourösen) Mode auftraten, denn kurz darauf nahm die 68er-Bewegung Fahrt auf.
Auf die Frage, wie genau Nazis Zwangsarbeiter*innen in den Gettos nutzten, um Stoffe „heim ins Reich“ zu liefern, bot mir Frühjahrskollektion dagegen zu wenig Antworten. Es geht vorranig darum, wie Lilo und Harry ihren Beitrug zu diesem System vor sich selbst rechtfertigen.