Der neue Roman von Olga Grjasnowa hat bei mir leider einen äusserst zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Obwohl das Buch ein flüssiger Schreibstil und die kurzen Kapitel das Lesen erleichterten, konnte mich die Geschichte nicht überzeugen. Die Handlung wirkt sprunghaft und oberflächlich, und es fiel mir schwer, einen klaren roten Faden zu erkennen.
Die Autorin schneidet viele grosse und wichtige Themen wie den Holocaust, Identität, Migration und kulturelle Konflikte an, doch anstatt diese Themen tiefgehend zu behandeln, bleiben sie oberflächlich und unausgereift.
Auch die Figuren bleiben blass und emotionslos. Weder die Protagonistin Lou noch die Nebenfiguren sind nachvollziehbar oder greifbar. Die Beziehungen zwischen den Figuren wirken toxisch und unverständlich, was eine emotionale Bindung nahezu unmöglich macht. Die Vielzahl von Nebenfiguren und Zeitsprüngen hat zusätzlich dazu geführt, dass ich den Überblick verloren habe, was das Leseerlebnis weiter erschwerte.
Die Geschichte um Lou, die auf der Suche nach sich selbst, ihrer Identität und einem Platz in der Gesellschaft ist, hätte durchaus Potenzial gehabt. Leider wurde dieses Potenzial durch die sprunghafte Erzählweise, die Vielzahl an unvollendeten Themensträngen und die oberflächliche Charakterzeichnung nicht ausgeschöpft. Statt einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit relevanten Fragen bekommt der Leser eine verworrene und lieblos wirkende Handlung präsentiert.
Insgesamt hat mich das Buch enttäuscht. Ich habe es zwar bis zum Ende gelesen, aber der erhoffte Mehrwert oder Erkenntnisgewinn blieb aus. Wer sich mit den Themen Identität und Migration intensiver auseinandersetzen möchte, wird hier nicht fündig. Schade, denn die Idee hätte so viel mehr hergeben können.