Eine junge Frau, geschieden, Mutter von einem Kind und ein Griechischlehrer, das sind die beiden Hauptpersonen. Beide sind sie - wie die Autorin - Südkoreaner. Sie treffen in den Griechischstunden aufeinander. Verbunden sind die beiden durch ihr zartes Wesen, ihre Verletzlichkeit und die Liebe zur Sprache.
Sie kann nicht sprechen, obwohl sie nicht stumm ist. Der Griechischlehrer sieht fast nichts mehr. Er ist auf eine gewisse Weise fasziniert von ihr. Beide haben viel verloren, was sich unter anderem in ihrer Sprachlosigkeit und dem eingeschränkten Sehvermögen zeigt. Gibt es eine Sprache, in der sie sie sich verständigen können? Abwechselnd findet man sich in den Kapiteln in der der jungen Frau resp. im Griechischlehrer. Dabei sieht man sich abwechselnd in einer Vergangenheit in Deutschland, der Schweiz oder in der Gegenwart in Seoul. Wer gemeint ist mit den Pronomen, muss man herausfinden. Mit hat das gut gefallen.
Mich hat der Schreibstil von Han Kang enorm beeindruckt. Es ist ein leises Buch, eines, das mit wenigen Worten auskommt, das nicht rasch gelesen werden will, sondern eine grosse Aufmerksamkeit beim Lesen verdient. Ihre Sprache hat eine Kraft, die einen in den Bann zieht. Man trifft auf unglaubliche Zartheit und gleichzeitig auf eine Härte. Die Autorin hat eine grosse Fähigkeit, Sprache zum Ausdruck zu verwenden.
Eine Aussage auf der Rückseite des Buches trifft es für mich absolut: “Han Kang erzählt so intensiv, dass man manchmal die Augen schliessen möchte.” Eine grosse Empfehlung, wenn man ein Buch nicht scheut, das leise, ohne aufregende Handlung daherkommt und vor allem von der Sprache und deren Intensität lebt.
- Die Zündschnur, die zu der Granate in ihren Herzkammern führt, ist verloschen. Ihre Mundhöhle ist leer wie der Schacht eines ruhenden Aufzugs oder wie ein Blutgefäss ohne Blut. Mit dem Handrücken fährt sie über ihre immer noch trockenen Wangen.
Sie hätte die Bahnen ihrer Tränen aufzeichnen sollen.
Sie hätte mit einer Nadel oder einem Blutstropfen den Weg nachfahren sollen, den ihre Worte genommen hatten.
Allerdings war der Weg so furchtbar, murmelte sie an einem Ort, jenseits von Mund und Kehle.
- Wenn ich, getrieben von einem Hungergefühl, zum Kühlschrank ging und die Tür öffnete, entdeckte ich überrascht, dass ich alles darin klar erkennen konnte. Wahrscheinlich wegen der hervorragenden Beleuchtung. Dieser kalte und helle Raum war mir ein gefrorenes Paradies, und ich trödelte vor der offenen Tür herum.
- Die Herzen, die sich berühren, die Lippen, die einander ertasten und sich dennoch für immer verfehlen.