Nach Die Verwandlung, Das Schloss, Brief an den Vater und Ein Hungerkünstler war Der Prozess mein fünfter Kafka. Bereits beim ersten Satz, wenn K. ohne Begründung “verhaftet” wird, wird man in die Geschichte hineingezogen (genauso wie bei der Verwandlung, wo die Hauptperson direkt am Anfang als Ungeziefer aufwacht). Verhaftet zwischen Anführungszeichen, weil eine Verhaftung wie wir sie kennen, ist es wohl auch nicht: K. kann einfach am gleichen Tag wieder zur Arbeit gehen, er weiss nicht wie spät sein Verhör stattfindet, ist aber dennoch zu spät, die Verhören finden irgendwo in einem Wohngebäude, in einem Nebenzimmer einer normalen Wohnung statt, das Verhalten seines Anwalts… Typisch kafkaeske Absurdität.
“Infolgedessen [dass das Verfahren nicht öffentlich ist / sein muss] sind auch die Schriften des Gerichtes, vor allem die Anklageschrift dem Angeklagten und seiner Verteidigung unzugänglich, man weiß daher im allgemeinen nicht oder wenigstens nicht genau, wogegen sich die erste Eingabe zu richten hat, sie kann daher eigentlich nur zufälliger Weise etwas enthalten, was für die Sache von Bedeutung ist.”
Und gleichzeitig ist dieses Buch natürlich viel mehr als nur “lustig” und “absurd”; es zeigt wie bürokratisch unsere Gesellschaft sein kann (oder manchmal wohl auch ist), wie unsicher Justiz, die eigentlich Sicherheit geben sollte, sein kann. Und somit bleibt das Buch auch heute aktuell, weil es immer noch Länder gibt, wo Prozesse nicht objektiv verlaufen, wo abhängig welche Hautfarbe / Herkunft man hat, man anders beurteilt wird (sei es in einem wirklichen Prozess vor Gericht oder im Alltag in z.B. einem Bewerbungprozess).
Das Buch ist nicht vollendet, aber das sehr packende Ende ist zum Glück erhalten geblieben. Sehr gerne gelesen, ein Buch, dass mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.