Attia zeigt das Ungenügen einer mechanistischen Medizin auf, die vor allem repariert und Schäden zu begrenzen sucht und erzählt uns, wie ihn das unzufrieden und frustriert gemacht hat. Er sucht nach Methoden, die Qualität der Lebenszeit zu verbessern und selbst etwas dazu beizutragen, so dass die degenerativen Prozesse nicht zu früh einsetzen und die Lebensqualität einschränken. Dazu muss einem zuerst bewusstwerden, welches Ziel man in seinem Leben hat, was und wie man konkret im Alter leben will.
Warum die einen mit 100 noch fit sind und andere schon mit 60 Mühe haben, ist ein grosses Rätsel. Offenbar haben die 100jährigen einen genetischen Vorsprung. Gelingt es nun «gewöhnlich Sterblichen» diese Differenz aufzuholen durch gesunde Lebensweise? Ein erster Ansatz ist das metabolische Syndrom, wo aufgezeigt wird, dass Überfluss sicher nicht gesund ist für Fett- und Zuckerstoffwechsel. Allerdings gibt es auch hier wieder Unterschiede: es gibt Übergewichtige mit einem gesunden Stoffwechsel und dünne, die trotzdem Probleme haben mit dem Fettstoffwechsel. All das beeinflusst natürlich Herz und Gefässe, die sehr schnell in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch hier stellt sich die Frage: was kann man tun, vorbeugen, was kann man sich Gutes tun und Schadendes unterlassen, dass es gar nicht zum Ausbruch von apokalyptischen Reitern kommt?
Auch in diesen Kapiteln erzählt Attia manchmal etwas weitschweifig und nennt viele amerikanische «Helden», die zumindest mir nichts sagen und sicher dazu dienen, die Glaubwürdigkeit zu untermauern.
Eine grosse Bedeutung kommt dem Cholesterin respektive den Lipoproteinen zu, die dieses in den Adern transportieren, da hier die Ursachen von Plaquebildung und Atherosklerose liegen. Die gut verständlichen Erklärungen und Argumente untermauern die Forderung nach sehr früher Prävention.
Ausführlichst werden Theorien und Studien zu Krebsentstehung erläutert. Immer wieder hoffen die Forschenden, den Krebs besiegen zu können, Milliarden werden dazu in die Forschung gesteckt. Der ganz grosse Erfolg bleibt jedoch aus, auch wenn insgesamt grosse Fortschritte erzielt werden.
Gegen Alzheimer und andere neurodegenerative Erkrankungen gibt es beinahe keine Therapien, intensive Forschung hat noch keine sicheren Erkenntnisse zu den Ursachen und möglichen Therapien gebracht. Hier liegt beinahe alles bei der Prävention, also Medizin 3.0. Sportliche Betätigung, gesunde Ernährung und geistige Betätigung helfen, die Gesundheit des Hirns zu erhalten, das heisst vor allem auch die Durchblutung und einen gesunden Stoffwechsel, so dass das Gehirn dauernd mit genügend Energie versorgt wird.
Dann werden die taktischen Ziele erarbeitet in den 5 wichtigsten Gebieten: Bewegung und Sport, Ernährung, Schlaf, seelische Gesundheit und exogene Moleküle. Ausführlich wird erklärt, wie wichtig Bewegung und Sport sind, und mit dem «Zehnkampf der Hundertjährigen» wird ein anschauliches Bild des Ziels vermittelt.
Ausführlich wird dann die Wirkung des aeroben Trainings erklärt auf Stoffwechsel, Gesundheit und Alterungsprozess. Ebenfalls ist Krafttraining angesagt, nicht zuletzt um auch die Stabilität zu fördern. Dann kommt als Basis die Stabilität dazu, gerade auch um sich vor Verletzungen zu schützen. Atmung, Füsse, Rücken, Schultern, Hände, Zehen, Finger – alles ist wichtig, um die neuromuskuläre Kontrolle zu trainieren, so dass Gehirn, Muskelgruppen und Gelenke optimal verbunden und koordiniert sind.
Über Ernährung zu schreiben ist schwierig, da sich viele Mythen um allerlei Diäten ranken und wissenschaftliche Untersuchungen sowohl epidemiologisch als auch klinisch sehr schwierig und oft wenig aussagekräftig sind. Vor allem reagiert jeder Mensch anders auf Nahrungsmittel, so dass es generell keine einfachen und allgemeingültigen Rezepte geben kann. Die Ausführungen zu Proteinen, Fetten und zum Fasten sind soweit schlüssig. Das Wichtigste verrät er am Schluss des Kapitels: Machen Sie sich nicht allzu viele Gedanken zu Diäten, Fasten usw, legen Sie das Buch weg, gehen Sie raus und treiben Sie Sport!
Zuwenig oder qualitativ schlechter Schlaf schadet der Gesundheit auf allen Ebenen. Guter und genügend Schlaf wirkt sich ausgesprochen gut auf unsere Gesundheit aus, auf Gehirn, Herz, Stoffwechsel und Gemüt.
Beim Kapitel über seelische Gesundheit habe ich mich mit Attia gefragt: «Wo, verdammt nochmal, bin ich hier gelandet?» (507). Ich meine, es gibt unzählige kompetentere Bücher zu diesem Thema. Klar treffen einige Tipps zu, aber die sind jeder und jedem, die oder der sich schon mal mit dem Thema befasst hat, bekannt. Dass die seelische Verfassung auch die physische Gesundheit beeinflusst, ist hinlänglich bekannt.
Insgesamt ist das Buch langatmig, verliert sich in Details oder in Tipps, die für Laien nicht geeignet, für Fachleute aber längst bekannt sind. Es hält in keiner Art und Weise, was es verspricht, eine «Bibel für ein langes und gesundes Leben» zu sein, ja sogar eines der wichtigsten Bücher … zu sein. Zu viel Altbekanntes wird repetiert, manches wird technisiert. Was bleibt sind die altbekannten Anregungen zu Eigeninitiative und Eigenverantwortung, zu mehr Bewegung, gesunder Ernährung und genügend Schlaf.