“Wer kann ich sein, wenn ich es nicht mehr allen recht machen muss?” Haben wir uns das nicht alle schon gefragt? In diesem Coming-of-Age Roman begleiten wir die zu Beginn 14-jährige Katha. Die Eltern lassen sich scheiden und nun zieht sie mit der Mutter und ihrer sechs Jahre jüngeren Schwester nach Dortmund. Sie sieht sich als Lebenshandwerkerin und fügt sich in der neuen Schule relativ schnell ein. Sie schliesst sich einer Mädchengruppe an, die sich immer mal wieder bei der Anführerin zu Hause treffen. Und dort lernt Katha deren Mutter Angelica kennen. Angelica und der Platz vor ihrem Küchenfenster werden für Katha ein Rückzugsort. Bis Angelica an Krebs erkrankt und stirbt. Und Kathas Welt erneut zusammenbricht.
Ein sprachlich wunderbar geschriebenes Buch. Mich hat fasziniert, wie die Autorin Sina Scherzant das Innenleben von Katha so präzise, und dem Alter entsprechend, aufzeigen konnte. Dieses Gefühl des “sich anpassen müssen” kenne ich selbst auch sehr gut. Die Geschichte ist in drei Teile unterteilt. Der erste Teil ist mit Abstand am längsten und beschreibt wie Katha die Damenbande und Angelica kennenlernt. Der zweite Teil spielt in der Zeit nach Angelicas Tod und ist sehr episodisch. Es fühlt sich fast wie Fieberträume an. Manchmal ist nicht klar, was wirklich passierte und was sich nur im Kopf von Katha abspielte. Sprachlich weicht dieser Teil sehr vom Ersten ab, passt meiner Meinung nach trotzdem sehr gut zu Kathas Verfassung, ihrer Trauer um den Verlust und die Leere, die sich in ihr ausbreitete. Der kurze dritte Teil am Schluss spielt 14 Jahre später und wir erhalten einen kurzen Einblick in Kathas Erwachsenenleben. Das Ende verleiht der ganzen Geschichte eine sehr versöhnliche Note, was mir gut gefiel.
Wer sich auch schon immer über “dieses verdammte Patriarchat” ereifert hat, zeitgemässe Literatur liest und sich gerne einer Coming-of-Age Geschichte widmet, ist hier am richtigen Ort. Ein intensives Buch über Beziehungen, Verluste und dem Finden des eigenen Weges.