Im neuesten Buch von @Natalie Haynes wird die Geschichte von Ödipus und Antigone aus der Sicht zweier starker Frauen neu erzählt. Auf der einen Seite lernen wir die noch sehr junge Jokaste kennen, die viel zu früh mit dem alten König von Theben, Laios, verheiratet wird, aber das ist erst der Anfang ihrer Qualen.
Im Wechsel mit Jokaste lernen wir Isy kennen, die mit ihren drei älteren Geschwistern in einem Palast lebt und nur knapp einen Mordanschlag überlebt. Der Anschlag galt vor allem ihrem Bruder, dem König von Theben, um dessen Position zu schwächen.
Was beide Geschichten verbindet, ist der Fluch, der über ihren Familien und der Stadt Theben liegt…
Seit ich denken kann, liebe ich die griechische Mythologie und war schon immer fasziniert von den Geschichten, die je nach Autor oder früher Dichter neu erzählt werden. Jetzt, bei den aktuellen Autorinnen Natalie Haynes, aber auch Jennifer Saint, werden diese Geschichten noch einmal ganz neu erzählt, und zwar aus der Sicht von Personen, die sonst oft untergehen, nämlich aus der Sicht von Frauen.
Auch in diesem Roman ist es der Autorin gelungen, zwei starke Frauenfiguren zu schaffen, die für ihr eigenes Schicksal einstehen und gleichzeitig alles geben, um ihre Familie zu schützen. Ein weiterer spannender Aspekt war die Geschichte der Vergeltung, wie die Pest damals genannt wurde. Die Massnahmen, die ergriffen wurden, erinnerten mich oft an die Zeit der Corona Pandemie und der Unmut der Bevölkerung gegen das Königshaus erinnerte mich an den Unmut, der oft gegen Politiker und Entscheidungsträger herrschte. Vieles war zu wenig und manches war zu viel und mir wurde wieder einmal bewusst, wie schwierig es ist und war, mit solchen Situationen umzugehen und ich bin ganz ehrlich froh, dass ich diese Entscheidungen nicht treffen musste.
Der Schreibstil der Autorin war flüssig und sie verstand es, ein Stück griechischer Geschichte spannend zu erzählen, so dass man sich nicht belehrt fühlte, sondern immer noch mehr erfahren wollte. Viele Situationen beschönigte sie, wie auch in ihren vorherigen Geschichten, nicht und brachte sie auf den Punkt.
Vor allem Isy war mir sehr sympathisch und ich bewunderte ihren Mut und ihren Willen für das Richtige einzustehen. Hier stellte sie sich auch als Person oft hinten an, wenn sie für das in ihren Augen Richtige einstehen konnte. Ihre Schwester Antigone war mir eher unsympathisch, verwöhnt und mehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Ähnlich erging es mir mit den beiden älteren Brüdern.
Zu Jokaste hatte ich ein etwas zwiespältiges Verhältnis, einerseits bewunderte ich sie auch, aber oft war sie mir doch zu unterwürfig gegenüber Ödipus und in dieser Hinsicht teilweise auch etwas naiv. Was sie aber nur in dieser Beziehung war. Ödipus ist nicht mein Freund geworden, aber da muss man sich beim Lesen auch sein eigenes Bild machen.
Für mich gibt es eine klare Leseempfehlung, auch wenn es aus meiner Sicht nicht mit «Stone Blind» mithalten kann. Dort war ich noch etwas mehr fasziniert und die Geschichte um Medusa hat mich mehr gepackt. Deshalb vergebe ich hier 4 von 5 Sternen und freue mich schon auf alle weiteren Bücher der Autorin.