Rita, in einer heilen Welt aufgewachsen, wollte Schauspielerin werden. Mit dem Tod ihrer Eltern verlor sie den Mut und wurde Krankenschwester. Als ihr Sohn tödlich verunfallte und sich ihr Traummann als Ekelpaket herausstellte, zerbrach ihr Bilderbuch-Familienglück. Sie gab sich auf, nahm einen Job im Supermarkt an. Dort findet sie eines Tages in einem Bananenkarton geschmuggeltes Kokain. Sie sieht plötzlich Licht. Einen Weg aus ihrem traurigen Leben. Ein Neuanfang in einem Bananenkarton. Oder hat sie soeben ihr Todesurteil unterschrieben? Sie weiss nicht, dass sie damit Lawinen auslöst und Erdplatten verschiebt. Mit Wucht!

Dieses düstere Märchen ist einfach ansteckend! Es beginnt mit dem Ende der Geschichte. Eine, mit der sich der Leser augenblicklich verwebt: Aschenputtel im Drogenrausch. Die Spannung besteht darin, wie es zu besagtem Ende kommt. Und sie ist enorm, denn über das Schüren von Nervenkitzel muss man bei Aichner keine Worte verlieren. Das beherrscht er meisterhaft. Sein Erzählmotor läuft pausenlos auf Hochtouren. Dauernd hat man beim Lesen das Gefühl, mit der Geisterfahrerin Rita am Abgrund zu fahren. Der Roman ist perfekt durchdacht, äusserst dicht in Szene gesetzt und bis zur letzten Seite fesselnd. Als aber der Ausgang der Story eigentlich schon offen da zu liegen scheint, erfährt der Leser, wie sehr er durch einen genialen Plot-Twist getäuscht wurde.

Der Roman entrollt sich auf zwei Perspektiven, indem er zwischen Rückblicken auf Ritas Vergangenheit und den Befragungen des ermittelnden Polizisten hin und her pendelt. Aichner beherrscht einen aussergewöhnlichen, unverwechselbaren Schreibstil: kurz, knapp aber von äusserster Klarheit, mit bestechend pointierten Dialogen. Wo andere Autoren Seiten füllen, weckt er mit minimalen Mitteln die intensivsten Gefühle, erzeugt Bilder, zieht den Leser buchstäblich in die Handlung hinein. Ich kenne keinen anderen Autor, der auf solch reduzierte Weise so viel Inhalt schafft. Mit Rita führt er uns in die faszinierende Welt der mit Reichtum Übersättigten, die sich alles erlauben und ihrer Unzufriedenheit doch nicht entrinnen können. Er spielt, Liebe und Leid, Gesetz und Menschlichkeit gegeneinander aus. Das Wesen der Figuren entsteht hauptsächlich durch die Handlung. Aichner ist so nahe an ihnen, dass der Leser stets auf ihrer Seite steht und ihnen alle Verstösse verzeiht. Weil es menschlich ist. Man kann das Buch, einmal angefangen, nicht mehr aus der Hand legen.

Das ist bei Aichner völlig normal.