Offen und ungeschönt schreibt Emilie Pine über die Irrwege und Abstürze in ihrer Jugend. Einsam, abgelehnt fühlt sie sich, ausgestossen und nichts wert. Drogen, Alkohol, Abhauen, ihre Magersucht helfen ihr nicht, sich zu finden, sie verliert sich selbst immer mehr. Aber: sie entdeckt das Schreiben, schonungslos ehrlich findet sie zu sich, fühlt sich endlich nicht mehr jenseits ihrer Selbst, ihres Körpers, kann sagen: «Ich bin voll und ganz hier». «ich schreibe, um Teile von mir zurückzufordern, die ich so lange und so gründlich verleugnet habe. Ich schreibe, um das Schweigen zu durchbrechen». Und das gelingt ihr mit einer offenen, klaren Sprache, mit dem Mut, auch Unangenehmstes über sich selbst ohne Scham aufzuschreiben, öffentlich zu machen.
Stark schildert sie ihr Frau werden, die Tabus rund um Menstruation und Blut, ihre Hilflosigkeit und das kulturell vermittelte Gefühl der Minderwertigkeit.
In weiteren Essays beschreibt sie, wie sie als 5jährige die Trennung ihrer Eltern und folglich die Armut und Demütigung erlebt hat, beschreibt die Abgründe, die sie als Frau mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch erlebte und einen schwierigen Versuch, ihrem Vater näherzukommen.
Verletzlich sein, Angst haben, als Frau zurückgesetzt und belächelt zu werden sind schmerzhafte und entwürdigende Erfahrungen. Emilie Pine macht Mut, erst recht zu seinen Ängsten und Gefühlen zu stehen, erst recht sie zur Sprache zu bringen. Spät lernt sie Radfahren, hat riesige Angst davor und schreibt rückblickend: «Wenn ich jetzt an dieses Gefühl von Gleiten und Fliegen und Wehen zurückdenke, frage ich mich: Wovor hatte ich solche Angst? Und: warum kann ich das – mich einfach abstossen und loslassen – nicht öfter machen?
Für mich als männlicher Leser ein positiv schockierendes, Augen öffnendes, aber auch, wenn ich als Mann ehrlich bin –beschämendes Buch. Absolut lesenswert!