In einem Bücherbrocki habe ich eine ältere Ausgabe des Irischischen Tagebuches entdeckt und an einen sonnigen Wochenende durchgelesen.
Dabei wurde ich in das Jahr 1957 zurück katapultiert in ein Irland, welches von einem Deutschen entdeckt wird. Letzteres ist bedeutsam, ist der Zweite Weltkrieg noch nicht so lange vorbei; in diesen achtzehn Kapiteln spielen diese bei der Begegnung mit den Inselbewohnern (und weniger mit den Inselbewohnerinnen) manchmal eine zentrale Rolle.
Aus diesem Grund ermöglicht dieses kleine Buch eine doppelte Reise: einerseits in ein armes Irland, welchem heutzutage nur noch in sehr abgelegenen Gebieten begegnet werden kann - und auch dann nur in Bruchteilen, wenn überhaupt. Vor gar nicht allzu langer Zeit….in eine Zeit, welche noch geprägt ist von den Nachwirkungen der Grossen Hungersnot, nämlich Tod, Armut und Auswanderungen. Ein Irland lange (oder eben gar nicht so lange) vor dem Boom des Keltischen Tigers…
Andererseits, zurück zu den Folgen der Weltkriege, namentlich nur zwölf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und seinen Nachwehen. Das kann für manche heutige Leserinnen und Leser manchmal befremdlich wirken, falls sie gewisse Anspielungen der Anekdoten nicht auf Anhieb verstehen.
Deswegen würde ich die Neuveröffentlichung mit den Anmerkungen für eine Lektüre empfehlen, welche ich bestimmt auch noch bei Gelegenheit zu Rate ziehen werde. Die Darstellung hat nichts Idealisierendes oder gar Romantisierendes, auch ist sie nicht nur trostlos und bedrückend: Zwischendurch sind die Anekdoten dieses halbdokumentarischen Reiseberichtes gespickt mit Schalk, was die Lektüre zu einem wirklichen Vergnügen macht.
Ich mag Heinrich Bölls Schreibstil, las damals in der Schule Die verlorene Ehre der Katharina Blum mit Begeisterung und bin froh, diesen Autor für mich wiederentdeckt zu haben.