(Inhalt vgl. Cover)
“Wie unterstützt man seinen Ehemann, wenn das Wohl und Wehe des ganzen Landes allein in seiner Hand liegt?”
Das zweite Buch von Marie Bénédict in der Reihe “starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte” hat mich wiederum tief beeindruckt. Einerseits habe ich auch ohne Geschichtsbücher Einblick bekommen in das Leben der Engländer/innen während der beiden Weltkriege und ihrer Politik, ihrer Strategien sowie der Beziehung der Entscheidungsträger zu einander. Andererseits habe ich wieder einmal mit Bewunderung die Geschichte einer Frau gelesen, die ihren Mann ohne Wenn und Aber in seinen Zielen unterstützt hat. Was mich jedoch am meisten erstaunt und gefreut hat, ist dass ihr Mann (Sir Winston Churchill) die Meinung seiner Frau vor über einhundert Jahren nicht nur zugelassen, sondern auch gefordert und ihren Rat meistens erfolgreich befolgt hat.
“Warum kann ich nicht eine von den Frauen sein, die mit ihrer Mutterrolle voll und ganz zufrieden sind?”
Nebst meiner Bewunderung, Respekt und Achtung für Lady Churchill für ihre Arbeit zugunsten des Landes und ihres Mannes, bin ich doch zwiegespalten (wie Lady Churchill selber ab und zu auch). Wieso hat dieses Ehepaar Kinder gehabt? Beide haben die Erziehungsverantwortung an eine Nanny delegiert, um dann irgendwann festzustellen, dass diese Kinder von ihren Eltern nicht mehr Zeit und Aufmerksamkeit bekommen haben, als sie in ihrer eigenen Jugend. “Wann werde ich endlich über meine eigene mutterarme Kindheit hinwegkommen und das geben können, was ich selbst nie bekam?” Auch wenn sie sich geschworen hat, jedes weitere Kind “zu lieben und für es zu sorgen, aber es wird mich nicht aufhalten”, blieben die Kinder immer an dritter Stelle: zuerst Winston, dann das Land, dann die Kinder. Und schliesslich muss sie erkennen, dass “ich ernte, was ich gesät habe.”
Clementine Churchill hat sich selbst immer wieder hinterfragt, wich aber nie von ihrem grossen Ziel (dem Land und den Menschen zu dienen) ab. Sie hat sich u.a. als selbstsüchtig und selbstmitleidig charakterisiert, aber nie gezweifelt, ob der Weg, den sie eingeschlagen hat, der richtige war. Sie hat aber trotz der vielen Erfolge, die ihr Mann durch den Austausch und den Rat seiner Frau erzielt hat, seine Anerkennung vermisst. Zuweilen haderte sie auch damit, dass er ihre Rolle als seine Frau zwar wertschätzte, nie jedoch explizit ihre mehr und mehr eigenständige Rolle ausserhalb des Hauses.
Ich habe mit diesem Buch eine kluge, kühne und äusserst loyale Frau des letzten Jahrhunderts kennengelernt. Andererseits bin ich mir wieder einmal bewusst geworden, wie wenig man meiner Grossmutter und ihrer Generation zugetraut hat. So war der “herausragende” Bakteriologe Sir Almroth Wright der Meinung, dass “Frauen soll man weder wählen noch eine aktive Rolle in der Politik spielen lassen”, und er begründet sein Plädoyer damit, dass beides den Frauen aufgrund angeblicher beträchtlicher geistiger und körperlicher Defizite gar nicht möglich sei. Er hat auch gefragt, ob Frauen aufgrund ihrer vielen Defizite das Wahlrecht bekommen sollten und ob Frauen daher überhaupt eine Existenzberechtigung haben.