… über das Frau-Sein, über die japanische Gesellschaft und über das Leben an sich.
Ich-Erzählerin Natsuko unterteilt ihre Geschichte in zwei Teile: Der erste umfasst ein Wochenende im Sommer 2008. Der zweite setzt acht Jahre später an und beschreibt ihre Erlebnisse von 2016-2019.
Im ersten Teil schildert sie den Besuch ihrer acht Jahre älteren Schwester Makiko und deren zwölfjähriger Tochter, Midoriko, bei sich in Tokio. Anlass ist der Wunsch Makikos, sich einer Brustvergrösserung zu unterziehen. Der Besuch ihrer Schwester weckt einerseits Erinnerungen an Natsukos schwierige Kindheit in ärmlichen Verhältnissen und an den frühen Verlust von Mutter, Oma und jeglicher Sicherheit. Andererseits setzt sie sich auseinander mit dem japanischen Schönheitsideal. In Natsukos Erzählung mischen sich zudem Auszüge aus einem Heft, in das ihre Nichte, Midoriko, schreibt, seitdem sie nicht mehr mit ihrer Mutter spricht. Sowohl Natsuko als auch Midoriko spüren in diesem Teil der tieferen Bedeutung von Wörtern bzw. japanischen Schriftzeichen und dem Frausein nach.
Der zweite Teil greift Makikos Besuch lange nicht auf. Natsuko erzählt von ihrem Leben als Schriftstellerin, aber vor allem von ihrem zunehmend stärker werdenden Kinderwunsch. Beim Sex mit ihrem ersten und einzigen Freund mit Anfang 20 dachte sie immer, sie müsse sterben, und mit Sex allgemein kann sie nichts anfangen. Sie lebt allein – die Vereinsamung der japanischen Gesellschaft ist ebenso Thema wie die Pflicht, die (angeheirateten) Verwandten zu pflegen – und als sie erfährt, dass es Samenbanken und private Spender gibt, schöpft sie neue Hoffnung. Es ist ein langwieriges Ringen, zuerst mit sich selbst, dann mit ihrer unmittelbaren Umgebung. Wer darf eigentlich Kinder kriegen und wer nicht?, ist dabei die grundlegende Frage, vor der Natsuko steht. Und was ist mit den auf diesem Weg gezeugten Kindern? Was sind ihre Rechte? Gerade Letzteres scheint, laut Roman, in Japan noch sehr im Argen zu liegen.
Durch den zeitlichen Bruch haben wir den Eindruck, hinterher tatsächlich mehr als zehn Jahre mit Natsuko verbracht zu haben. Sie wuchs mir rasch ans Herz, was an ihrer ehrlichen, lebendigen Erzählweise lag. Auch die vielen Dialoge tragen zu diesem Eindruck bei. Ich bin in japanischen Romanen zuletzt öfter darauf gestossen, dass offensichtliches Schwitzen eher verpönt wird – umso authentischer waren Natsukos Schilderungen von der Hitze des Sommers und wie diese sie zum Schwitzen bringt.
Aufgewachsen in prekären Verhältnissen hat sie dafür noch heute ein Auge. Aber sie lässt uns nicht nur einen Blick in dieses Milieu werfen, sondern stellt dem, wertfrei, gutsituierte Familien gegenüber und welchen Zwängen sie, und die japanische Gesellschaft allgemein, unterliegen.
«Brüste und Eier» ist ein kluger Roman, der auch uns wichtige Fragen stellt, uns nach Japan reisen lässt und den ich enorm gern gelesen habe.
Mit viel Sinn für sprachliche Feinheiten aus dem Japanischen übersetzt von Katja Busson.