+ Das Zitat
„Als Kind denkt man, die Kindheit dauert zu lang. Man kann es nicht erwarten, erwachsen zu werden. Eines Tages ist das einfach passiert, man hat den Moment verpasst und versucht, es im Nachhinein zu begreifen. Sobald man vor Menschen, die man liebt, Geheimnisse hat, schläft man nicht mehr so tief wie ein Kind.“
+ Die Thematik
Wer einen Irving versucht inhaltlich zusammenzufassen, scheitert zwangsweise.
„Der letzte Sessellift“ ist ein Irving-typisches Panoptikum skurriler Figuren und komplexer Familienverhältnisse, eingebettet (wie meist) in einer Erzählung im Zeitraum der ca. 1940er bis in die Gegenwart. Das Setting bildet im „Sessellift“ der Wintersport im Nordosten der USA, in Aspen, aber auch z.B. in Österreich. Auch in seinem monumentalen neuen Werk kreist Irving um Themen der sexuellen Abweichung, Erwachsenwerden, Akzeptanz, Familie und Politik.
+ Zum Mitnehmen
Man liest oft, man solle Irvings Frühwerke lesen, da diese qualitativ unerreicht seien. Da möchte ich widersprechen: Die Art, wie man Irving liest, hängt eher davon ab, wie viele Werke von ihm man schon gelesen hat (und nicht WELCHE). Jungfräulichen Irving-Leser:innen empfehle ich, eins seiner neueren Werke zuerst zu lesen (z.B. „In einer Person“ oder „Der letzte Sessellift“). Es muss nicht mit “Garp“ begonnen werden…
+ Kritik
Irvings Spätwerke sind für mich eine Wucht. Insbesondere, wenn sie zentral sexuelle Befreiung behandeln. Auch der „Sessellift“ bildet hier keine Ausnahme: Für mich ist das Lesen von Irving immer wie ein Nachhausekommen, ein Sich-Suhlen in erzählerischer Geborgenheit. Seine wiederkehrenden Topoi und Thematiken über all seine Bücher hinweg sind eine Wohlfühl-Konstante. Ebenjene Wiederholungen wie auch seine ausufernde Erzählweise können aber auch abschreckend wirken: Es überrascht daher wenig, dass man Irving entweder liebt oder stinklangweilig findet. Dazwischen dürfte es wenig Spielraum geben…