Der neue Roman von Angelika Overath erzählt von drei Menschen, die ihre Beziehungen neu ausloten. Parallel dazu verläuft eine Zugfahrt, die quer durch Europa führt, von Chur nach Istanbul.
Baran war in Chur und fährt jetzt nach Hause nach Istanbul. Dort wohnt er mit seinem Partner Cla zusammen, der ursprünglich aus dem Engadin kommt und vorher mit Alva zusammen war. Alva wohnt mit dem gemeinsamen Kind in Chur, Baran und Cla haben sie über den Sommer besucht. Jetzt wird es Herbst, Cla musste schon früher abreisen und ist geflogen, aber Baran fliegt nicht mehr. Nicht einmal aus Klimagründen, sondern weil er sich an Flughäfen entfremdet fühlt (hier wäre vielleicht ein Vergleich mit Overaths Roman Flughafenfische möglich, wo es ja auch um die Künstlichkeit von Flughäfen geht).
Jeder Streckenabschnitt von Barans Reise wird mit dem Blick der Reporterin geschildert, Sargans, Graz, Zagreb, Sofia. Gleichzeitig wird die Reise mit Barans Gedanken verflochten. Manchmal denkt er über die Orte nach, an denen er durchfährt, oder die Menschen, denen er begegnet. Immer wieder beschäftigt er sich aber mit seiner Beziehung zu Cla, der sich von ihm entfernt, und zu Alva, der er näher kommt. Wer steht wo in diesem Dreieck aus Menschen, die einander alle sehr gern haben?
Die Figuren werden deutlich in ihrem Charakter, sie entfalten sich in ihren Widersprüchen. Charakterisiert werden sie oft mit kleinen Beobachtungen, mit Quitten oder Wanderschuhen zum Beispiel, und in allen diesen Dingen steckt eine Geschichte, die etwas über die Figuren erzählt.
Der Roman ist unaufgeregt, fast schon sachlich, aber gleichzeitig sehr poetisch, zum Beispiel wenn es darum geht, die Nuancen zwischen den Menschen einzufangen. Typisch für Overath ist auch der Blick auf kleine poetische Dinge, etwa die Assonanzen in den Namen Baran, Cla und dem Wort “Branclada” (Umarmung), das Baran als Gruss in einer Nachricht schreibt.
Unschärfen der Liebe zeigt, wie überwältigend die Schattierungen von Liebe sein können, und wie schön es sein kann, langsam zu reisen.