“Jones, der Prediger hat sein Leben lang geliebt. Er staunt selbst darüber, denn soweit er es beurteilen kann, hat es nie jemandem genützt, auch wenn es gewürdigt wurde, was selten der Fall war. ” Dieses Beispiel zeigt, wie die “Stories” beginnen, die Geschichten von Joy Williams, jener Grand Old Lady der amerikanischen Literatur, die in der dortigen Literaturszene so gefeiert wurde und wird. Bei uns ist sie nahezu unbekannt. Wer sich auf diese 13 Geschichten einlässt, lernt eine großartige Erzählerin mit einem Faible für Brüche, für Verlust und fürs Morbide kennen. Oben erwähnter Prediger erlebt die tödliche Erkrankung seiner Frau und ist allein verantwortlich für Hund und das Baby seiner erwachsenen Tochter. Der Text ist mit “Liebe” betitelt. Und richtig, in diesem Kontext gelingt es der Autorin schlicht und ergreifend, gelebte Liebe so lebensnah zu beschreiben. Da gibt es den Text der “Mutterzelle”, ein Stammtisch von Müttern, deren Söhne im Todestrakt auf ihre Hinrichtung warten. Die todkranke Frau, die ihre beste Freundin mit unzähligen Exmännern besucht, und deren Tochter mitnimmt, als sie abhaut. Die junge Frau, die jene Schlange eines betagten Ehepaars adoptiert. Die Texte spielen in schäbigen Motels, behandeln sich anbahnende Trennungen, erzählen vom Ausbrechen aus der Trostlosigkeit, kurzum wir sind weit weg von Friede, Freude und Eierkuchen. Und doch blitzen in diesen erzählten kaputten Welten Sätze heraus, die so bestechend Hoffnung und Lebensmut vermitteln, weitermachen und “überleben wollen” feiern, dass man die Geschichten liest, wie man feine Pralinen geniesst. Man kann sich ihnen nicht entziehen. Augenzwinkernd gibt uns Joy Williams subtil zu erkennen: Auch wenn wir nicht in den besten Welten leben, wenn wir die Vergänglichkeit spüren, wenn sich Wege trennen, es ist eine betörende Schönheit in all unserer Trostlosigkeit, und die gilt es erzählend festzuhalten.