Julia Weber beginnt ihren autofiktionalen Roman zu schreiben, als sie mit ihrem zweiten Kind schwanger ist. Ihr Mann, Heinz Helle, ist ebenfalls Schriftsteller und hat in seinem Buch “Wellen” seine Erlebnisse berichtet.
Während der Schwangerschaft sorgt sich Julia darum, ob sie allem gerecht werden kann. Einem zweiten Kind, dem ersten Kind B., ihrem Mann H. und natürlich, ohne die Kunst zu verlieren. Sie tut sich schwer mit dem Gedanken an das Kind. Mit der Geburt kommt eine grosse Liebe zu dem kleinen Wesen. Die Geschichte geht weiter bis in die Zeit, als das zweitgeborene Mädchen Z. schon gehen kann. Es geht um Abhängigkeit - Abhängigkeit vom Anderen, Vermengung mit dem Anderen (Ehemann, Kind, Freundin), von Vorstellungen, wie man oder etwas zu sein hat, von der Kunst..
Das Buch wechselt von den eigenen Gedanken, Empfindungen, Träume und Erinnerungen zum Erleben ihrer Figuren. Immer wieder spiegelt sich ihr eigenes Erleben in jenem der Romanfiguren. Es ist ein Buch, in dem es kaum Handlung gibt, das mich aber manchmal förmlich in das Geschriebene hineingesogen hat. Das hat sich oft nicht angenehm angefühlt, mich aber trotzdem mitgenommen. In der Zeit nach der Geburt zeigt sich eine gewisse Leichtigkeit, wie sie davor und danach nicht vorkommt. Vielmehr schwingt eine Schwere und Traurigkeit mit. Ein sehr intimes Buch, schonungslos erzählt die Autorin von sich und lässt einen nah kommen - oder doch wieder nicht?
Die Sprache ist sehr speziell - ich vermag es nicht in Worte zu fassen. Manchmal scheinen die Worte wie zufällig hingefallen und doch ist klar, dass kein Wort dem Zufall überlassen ist.
Das Buch liest sich nicht leicht und man muss sich darauf einlassen können. Dann kann ich es empfehlen.
- Warum das denn verdammt noch mal so schwer sei, zu sein, wer man sei, ruft er.
- Wir können die klaren Linien, zwischen dem, was du als Mann zu sein hast und ich als Frau zu sein habe, auflösen.
- Manchmal ist es mir nicht möglich, mich auf etwas ausserhalb Liegendes zu konzentrieren, weil in mir ein Leben heranwächst.
- In den Stunden der Geburt legt er seine Geschichte ab. Er wird ein Körper neben meinem. … Die einzige unüberwindbare Trennung ist, das Kind liegt in meinem Körper und will aus meinem Körper heraus in die Welt.
- Und alle meine Worte gehören ihm, es sind wenige, es ist ein Schlaflied. Ich singe oder schweige mit ihm. Ich möchte, dass es wächst und möchte, dass es bleibt.
- … dann legte sich die Traurigkeit als nasser Hund zu mir, dann konnte niemand mehr hinein ins Badezimmer, weil der Hund so gross war, und die Tür nach innen aufging.
- Ich werde noch eine Zeitlang neben dir stehen, auf dich aufpassen, du bist noch klein, aber vermengt sind wir nicht mehr.
- Diese Kraft. Und ich erinnere mich nicht, wann sie mir abhandenkam, ich weiss nicht, wo ich sie verlor, wer sie mir nahm, was alles mich dazu brachte zu denken, ich genügte nicht, so wie ich bin.
- Ich weiss nicht, wann ich anfing, um die Liebe der Menschen zu kämpfen, weil ich mir selbst nicht genug war.