Die Autorin Ana Iris Simon nimmt uns in ihrem Erstlingswerk «Mitten im Sommer», ein Rückblick ihres Heranwachsens in der spanischen Mancha, auf eine Reise ins Spanien der 1990er Jahre. Im süffigen spanischen Familienportrait, das um die Autorin als Hauptfigur angelegt ist, blickt sie als dreissigjährige Frau zurück auf ihre Kind- und Jugendzeit, um letztendlich als Mutter eines ungeborenen Kindes nochmals voller Sehnsucht dem Ort und den Menschen ihres Aufwachsens zu begegnen.
«Ich beneide meine Eltern um ihr Leben in meinem Alter». Mit diesen Worten beginnt die nun inzwischen in Madrid wohnhaft und studierte junge Frau ihre autobiografische Geschichte. Dabei kommt diese Erkenntnis aus der Retrospektive, wollte sie doch in ihrer Jugend nichts lieber als der Kleingeistigkeit ihres Daseins entrinnen und die Fesseln ihrer weitverzweigten Familie erst einmal loswerden.
Die Kapitel des Buches sind chronologisch angelegt, jeder Abschnitt könnte fast eine eigene, in sich abgeschlossene Geschichte sein. Der Schreibstil ist fragmentarisch, frisch, zuweilen recht anekdotisch und gleichzeitig wunderbar poetisch, wie der Titel «der Baum hat mein Grossvater gepflanzt, und der Schatten ist für mich» zum Besten gibt. Auch webt die Autorin zahlreiche kulturelle Querverweise ein, wie beispielsweise den spanischen Filmemacher Pedro Almodovar. Ihr Familienportrait selbst ähnelt zuweilen seiner Filme. Sie beschreibt das Leben in Spanien ungefiltert mit all den Ingredienzen seiner Zeit (Geschichte).
Beschreibungen wie «für diese nach Altherrenrasierwasser riechende, gerne breitbeinig bezeichnende Prosa» oder «ihrer spitzwangigen und hohläugigen Leichenbrauthaftigkeit» sind fantastisch. Die Blumigkeit ihrer Schreibe scheint kein Ende zu nehmen und wird pointiert eingesetzt. Die Vielschichtigkeit und zum Teil auch verwirrende, verschachtelnde Erzählweise tragen gleichzeitig zur Magie dieses Lesestoffes bei - grossartig, aber auch anstrengend. Der spanische Titel «Feria» wäre entschieden die bessere Titelwahl für diesen übersinnlichen, tiefgründigen und poetischen Essay gewesen.