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    eindringlich und aufwühlend

Kometenhafter Aufstieg einer aussergewöhnlichen Begabung - und ebensolcher Absturz - ein Leben, das immer mehr zerbröselt… zurück bleibt ein Scherbenhaufen, an dem sich nicht nur der Vater wund ritzt sondern auch die Lesenden… So jedenfalls mein Eindruck!

‘Lea’ von Pascal Mercier ist keine leichte Kost.

In einem Cafe in Saint-Rémy (Provence) begegnen sich zufällig Adrian Herzog und Martijn Van Vliet. Sie kommen ins Gespräch, fahren zusammen zurück nach Bern - eine Heimreise, die für Herzog zur Reise ins Leben eines Anderen wird… In erschütternden, aufwühlenden Bildern erzählt Van Vliet die Geschichte seiner Tochter Lea. In ihrer Trauer um die verstorbene Mutter festgefroren, taut die 8-jährige unter Geigenklängen auf. Unversehens im Berner Bahnhof in ihr Herz gefallen, will auch sie das Geigenspiel erlernen. Der verwitwete Vater tut alles, um seiner zu neuem Leben erwachten Tochter den Wunsch zu erfüllen. - Aus der Leidenschaft wird immer mehr Obsession und letztendlich Destruktion - sowohl für die Tochter als auch in für den Vater. Man fällt gleicherweise in die Seelenabgründe des einen wie des andern… - Van Vliet reflektiert die Jahre vom Beginn des Übens bis zum Zusammenbruch… und Adrian Herzog hört geduldig zu - wird in den Sog der starken Bilder und Momente hinein gezogen - und rührt dabei an seine eigene Geschichte - ebenfalls (nach Scheidung) allein erziehend, hat er seine Tochter in ein Internat gegeben. Der Faden zu ihr scheint, wenn nicht ganz zerrissen, so doch sehr dünn… Van Vliets Erzählung wird zu einem Anknüpfungspunkt zu seiner eigenen Geschichte und Beziehung zur Tochter.

Die Novelle lässt sich nicht eigentlich in einer Rezension verbalisieren - man muss sich ihr stellen und sie in sich hinein gleiten, fallen lassen… Mich hat sie enorm berührt. Wie Mercier es versteht, das Psychogramm der einzelnen Beteiligten zu zeichnen, ist einfach nur fantastisch - und genau darum auch beklemmend. Ich habe das Gefühl, aus dieser Geschichte geht man anders heraus als hinein…