Hélène kehrt, nachdem sie in Hamburg und Paris gearbeitet hat, mit ihrem Lebensgefährten und ihren gemeinsamen beiden Töchtern wieder zurück in die Gegend wo sie aufgewachsen ist. Ihre (und Christophes) Jugend wird in Nicolas Mathieus Roman in spannend zu lesenden Rückblenden geschildert. Sie war immer ehrgeizig und dank guter Schulnoten konnte sie die richtigen Schulen und Universitäten besuchen, um jetzt erfolgreich für eine Consulting Firma zu arbeiten. Wieder zurück in Lothringen pflegt sie zunächst wenig Kontakt zu ihren Eltern, die sie schon sehr früh in ihren Ansichten als zu beschränkt empfunden hat. Sie unternimmt auch nichts, um alte Freundschaften wiederzubeleben. Einzig als sie Christophe, die erste Liebe ihrer ehemals besten Freundin, zufällig wiedersieht wird ihr Interesse geweckt. Ohnehin ist Hélène in ihrer Partnerschaft unglücklich: zu viel von der Kindererziehung bleibt an ihr hängen und sie fühlt sich nicht mehr begehrt. Christophe hat sie damals einfach abblitzen lassen aber jetzt muss er sich geschmeichelt fühlen als die schöne Karrierefrau ihn kontaktiert.
Ich denke, man sollte das Buch unbedingt aus einer politischen Perspektive lesen. Meiner Ansicht nach hatte der Autor keine romantische Liebesgeschichte im Sinn, es geht viel mehr in Richtung Gesellschaftskritik. Hélène führt das Leben einer modernen Frau in Frankreich, die alte eheliche Normen überwinden möchte. Die wenig schmeichelhafte Darstellung der Arbeitsweise einer Consulting Firma nutzt der Autor zur Kritik sowohl am französischen Verwaltungsapparat als auch an der Verschwendung von öffentlichen Geldern.
Die facettenreiche Schilderung von Christophe und Hélènes Geschichte in die auch diverse Nebenpersonen einfliessen, liest sich meiner Ansicht nach recht gut, wenn man sich ein wenig für Frankreich interessiert.
Den Titel Connemara verdankt das Buch einem beliebten französischen Schlager und es braucht eine Weile, um den Bezug zu verstehen. Auf dem Klappentext findet sich dazu der Hinweis auf die tief gespaltene französische Gesellschaft, vergleichbar mit dem Religions-Konflikt in Irland auf den das Lied anspielt.
Ich durfte das Buch im Rahmen einer Leserunde diskutieren, aber ich hätte es mir sowieso gekauft denn ich fand schon die letzten beide Romane des Autors sehr berührend. Bei der Bewertung schwanke ich zwischen vier und fünf Sternen, denn Hélènes Figur habe ich - im Gegensatz zu Christophes - manchmal als etwas zu komplex, beinahe überladen empfunden. Aber andererseits kann sie nichts für ihre komplizierten Lebensumstände und somit habe ich nach oben aufgerundet.