Silvester 2018: Fredrik und Nina Andersson fahren mit ihren beiden Söhnen zu Freunden. Währenddessen feiert deren 17-jährige Tochter Jennifer mit ihrer Tochter Smilla und Freunden in ihrem Reihenhaus den Jahreswechsel. Am nächsten Morgen ist Jennifer spurlos verschwunden! Sie hat die Party schon um 23.30 Uhr verlassen.
Nicht nur die Jennifers Familie wird in einen Strudel von Angst gerissen, sondern auch die Anderssons. Jahrelang ging Jennifer als beste Freundin von Smilla bei ihnen ein und aus und obwohl die beiden Familien sich in letzter Zeit voneinander entfernt hatten, ist die Sorge um Jennifer gross.
WoW! Was für eine Geschichte!
Sehr kurzweilig wird die Zeit vor der Party, während der Party und nach dem Verschwinden des Teenagers aus der Sicht von drei Figuren beschrieben. Hauptsächlich kommen Lollo, die Mutter von Jennifer und Fredrik und Nina, Smillas Eltern, zu Wort. In Ich Perspektive erzählen sie ihre Sicht auf die Ereignisse, was ich sehr abwechslungsreich empfand. Als Leser kriegt man Einblick in das Familienleben beider Familien bis und nachdem das Grauen, was das Verschwinden eines Teenagers mit sich bringt, Einzug hält.
In Kapiteln angenehmer Länge wird entweder die Handlung aus der Perspektive der drei oben erwähnten Figuren fortlaufend erzählt oder man liest über eine Situation aus der Sicht zweier Figuren. Damit zeigt die Autorin deutlich, wie verschieden dieselbe Situation von zwei unterschiedlichen Personen aufgefasst werden kann. Dieser Teil der Geschichte ist ebenso gut gelungen, wie die oft wie nebenbei fallen gelassenen Gedanken einer Figur zu einer anderen Person. Damit schraubte Malin Stehn ordentlich an meinem Gedankenkarussell und Mitte Buch habe ich buchstäblich jeden verdächtigt, etwas mit Jennifers Verschwinden zu tun zu haben. Denn auf die Identität, die die Autorin mir ab Mitte Buch buchstäblich vor die Nase gesetzt hat, bin ich nicht hereingefallen. Die war mir nämlich zu einfach gestrickt. Trotzdem wäre ich nie auf die Auflösung gekommen, die schlussendlich das Buch hat schlüssig enden lassen.
Den Schreibstil habe ich als klar und schnörkellos geschätzt. Es gibt ein paar Wechsel der Zeitebenen. Davon abgesehen wird die Story fortlaufend erzählt, was ich als wohltuend empfand. Malin Stehn versteht es sehr gut alltägliche Szenen zweier Familien mit einem Verbrechen zu vermischen, sodass es durchwegs spannend bleibt und man ordentlich rätselt, was geschehen ist.
Der Fokus der Geschichte liegt nicht hauptsächlich bei der Aufklärung. So agiert die Polizei nur am Rande. Das grosse Augenmerk wird auf die Reaktion des Umfeldes nach dem Verschwinden von Jennifer gelegt. So müssen zum Beispiel Lollo und Max erkennen, wie wenig sie über das Leben und die Gefühle ihrer Tochter wissen. Schuldgefühle und Schuldzuweisungen bleiben da nicht aus. Auch Smilla als beste Freundin von Jennifer fühlt sich schuldig und das reisst wiederum ihre Mutter Nina in einen Strudel der Angst. Sehr authentisch wurden diese Reaktionen eingeflochten und viele Male habe ich gedacht, dass ich genauso reagieren würde.