Dr. Isidor Geller ist Kommerzialrat, Dandy und Bonvivant im Wien der Jahre rund um den ersten Weltkrieg und der Zwischenkriegsjahre. Sein Aufstieg vom cleveren Sohn eines armen Talmud-Gelehrten in Galizien, der in einer ärmlichen Unterkunft gehaust hatte und das fromme und anspruchlose Leben eines orthodoxen Juden vorgelebt hatte, zum spendablen Multimillionär in den goldenen Jahre zwischen den Kriegen der pulsierenden Kulturweltstadt Wien erfolgte zielstrebig. Der Mann wusste sein Leben zu geniessen und verkehrte eloquent in den angesagten Kaffeehäusern, liebte das Theater und die Oper. Seine Wohnung im mondänen Palais dient mit einer opulenten Bibliothek seltener Buchausgaben, mit exquisiter Kunst, mit ausgesuchten Antiquitäten und mit stilvoller Einrichtung als Beweis seines guten Geschmacks. Sein Neffe Walter besucht ihn jeden Samstag. Shelley Kupferberg beschreibt im ersten Teil ihres Buches den Kulturmenschen Isidor, der seine Herkunft nicht an die grosse Glocke hängt. Sie glänzt als Chronistin eines Lebensstils wohlsituierter Bürger. Er ist der Onkel ihres Grossvaters Walter, der auch dann noch den ausufernden Judenhass weglächelt und sich nicht betroffen fühlt, als Hitler und seine Verbrecherbande die Rassengesetze in Deutschland gnadenlos und konsequent durchziehen. Als sich 1938 die Österreicher freiwillig dem räuberischen Regime an den Hals werfen, erfährt der freigiebige Weltmann den entfesselten Hass auf seine Herkunft. Durch die Hasspolitik der neuen braunen Hausherren in Wien werden die niedrigsten Instinkte des Pöbels geweckt. Hetzjagd und Plünderung von jüdischem Vermögen, massenweise Verhaftungen und ein sorgfältig durch Behörden inszenierter und akribisch verwalteter Raubzug auf jüdischen Besitz beginnt. Auch Isidor wird verhaftet, verraten von seinen langjährigen Bediensteten. Er kann sich freikaufen, doch er stirbt als traumatisierter und gebrochener Mann im November 1938. Walter, seine Mutter und ihr Mann können sich mit Müh und Not retten. Kupferberg schildert atmosphärisch dicht das Savoir-Vivre von Isidor, seinen unerschütterlichen Glauben an das Recht und seine fatale Fehleinschätzung der Weltlage. Und sie macht deutlich, was man in Österreich oft gerne übersieht: Zig Tausende wurden im Rausch des Anschlusses zu gierigen Plünderern, übervorteilten frühere jüdische Nachbarn mit fragwürdigen Käufen zu Dumpingpreisen, erniedrigten jüdische Mitbürger, einfach weil es erlaubt war. Man mag das fast nicht lesen, dem Buch gelingt es, Betroffenheit auszulösen.