Sigrid Nunez erzählt von ihrer Kindheit mit einem chinesischen Vater und einer deutschen Mutter in Amerika. Der Vater schweigend, abwesend, die englische Sprache und das Land und die eigene Familie bleiben ihm fremd. Die Mutter Heimwehdeutsche, ihre Seele ist am Ende des Krieges durch eine unglückliche Liebschaft verstummt, auch sie bleibt ihren Kindern fremd. Eindrücklich schildert Nunez Erlebnisse und Erinnerungen aus ihrer Kindheit, immer mehr wird deutlich, wie sehr der Krieg Menschen sich selbst entfremden kann, wie sie sich selbst verlieren – und so für ihre Kinder fremd und unzugänglich bleiben. Ihr Versuch, durch Ballett und Tanzen sich selbst zu werden scheitert nach anfänglichem Enthusiasmus und Erfahrungen des Flows (ich war ganz in mir anwesend), sie genügt den Anforderungen nicht und erkennt später, wie gut es ihr tat, etwas eigenes zu haben, vom traurigen Zuhause in der Sozialwohnung fortzukommen und wie sehr ihr das ganze Drum und Dran des Balletts eigentlich fremd war. Doch wer ist sie? Chinesin? Deutsche? Amerikanerin? Ihre Liebschaft mit einem russischen Taxifahrer zeigt noch einmal, wie schwierig es ist – auch jenseits von sprachlichem Ungenügen – einen andern Menschen wirklich zu verstehen. Die Frage bleibt: wenn sie sich schon selbst nicht verstehen kann, wie könnten sie da andere Menschen verstehen?
Eindrücklich, wie lebendig und detailgenau Sigrid Nunez Erinnerungen und Erlebnisse beschreibt, und wie sehr das Leben in Sozialghettos prägt und unüberwindliche Hindernisse aufbaut.