Die Geschichte von Ludwik spielt in Polen. Es ist das Jahr 1980, es ist Sommer, das Examen hat er gerade erst bestanden und wird zum üblichen Ernteeinsatz „abkommandiert“. Da trifft er Janusz und die beiden verlieben sich. Nach dem Ernteeinsatz verbringen sie magische und unbeschwerte Tage an einem verborgenen See. Hier erleben sie eine unglaubliche Nähe und große Liebe. Irgendwann müssen sie zurück in die Stadt und damit in die graue Realität, denn in Polen im Jahr 1980 ist die Liebe unter Männern eine Unmöglichkeit. Es ist auch die Zeit der großen Umbrüche. Ludwik will sich nicht länger einsperren lassen, träumt von der Flucht in den Westen. Janusz wählt einen anderen Weg: eine Karriere innerhalb des Systems. Ludwik muss sich entscheiden: für ein Leben voller Heimlichkeiten – oder den Mut, er selbst zu sein.
Mit seinem Debüt ist Tomasz Jedrowski ein beeindruckender Coming of Age Roman gelungen, der nicht nur mit den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens ringt, sondern auch mit dem Versteckspiel rund um eine homosexuelle Liebe in Polen, im Angesicht des zerfallenden Kommunismus und der Tabuisierung gleichgeschlechtlicher Paare. Es bleiben nur die Anpassung an die gesellschaftliche Norm oder die Flucht in den Westen. Auch dieser Konflikt ist Teil der Geschichte, denn während sich Janusz für das Bleiben und damit auch die Anpassung an die Norm entscheidet, wählt der Ich-Erzähler Ludwik am Ende den Weg in den Westen. Er lebt zu Beginn des Buches bereits in New York, kann allerdings die Geister der Vergangenheit nicht abschütteln. So beginnt er, seine Gedanken und Emotionen in einem an Janusz adressierten Brief niederzuschreiben. Es wird eine traurige Abrechnung mit der Beziehung und mit Janusz, der sich fürs Bleiben und weiterhin Verstecken entschieden hat.
Begeistert hat mich die sprachliche Rafinesse, mit der Tomasz Jedrowski in sieben Kapiteln den Weg der beiden Männer nachzeichnet. Immer eindringlicher und bedrückender werden die Seiten, auf denen er von den seelischen Qualen seines Protagonisten schreibt. Gekonnt baut Jedrowski seine Geschichte in das Zeitgeschehen von 1980/1981, dem zerfallenden Staat, das Aufbegehren der Bevölkerung, die gegenseitige Bespitzelung, Privilegien der herrschenden Schicht und der Machtlosigkeit der vielen Namenlosen ein. Durch diese Beschreibungen des politischen Umbruchs der damiligen Zeit bekommt das Werk auch eine aktuelle Brisanz, da sich in Polen aktuell eine starke Hinwendung zu den „klassischen gesellschaftlichen Normen“ abzeichnet. Diese sehen wir ja aktuell auch in den USA, wo befürchtet wird, dass der oberste Gerichtshof die gleichgeschlechtliche Ehe ähnlich wie das Recht auf Abtreibung zurücknehmen könnte.
„Im Wasser sind wir schwerelos“ ist für mich ein sehr beeindruckendes Debüt, eine intensive und doch melancholische Geschichte über unterdrückte Emotionen, die Suche nach sich selbst, über das Aufwachsen in einem Regime, welches persönliche Entfaltung nicht frei zulässt, über Ängste und Hoffnungen und über die Macht und doch Zerbrechlichkeit von Liebe. Die Sprache von Tomasz Jedrowski wühlt auf, verzaubert, seine Sätze hallen auch lange nach dem Lesen des Buches noch nach.