Was geschieht, wenn alles, wofür du zehn Jahre gearbeitet hast und wovon du dir Sicherheit, Ansehen und Liebe versprochen hast, plötzlich wie Sand durch deine Finger rinnt?
Was ist, wenn deine vermeintliche Unabhängigkeit sich als Käfig entpuppt, der noch dazu einen wahnsinnig hohen Preis kostet?
Mit diesem Buch kannst du diese Fragen und vor allem deine Antworten etwas genauer unter die Lupe nehmen - und gleichzeitig in die Welt Indiens eintauchen.
Alka Joshi entführt einen in das Leben von Lakshmi. Die junge Inderin lebt als Hennakünstlerin im Jaipur der 1950er, nachdem sie aus einer arrangierten und gewaltsamen Ehe geflohen ist, von ihren Eltern verstossen wurde und sich auf den Strassen Indiens irgendwie durgekämpft hat.
Wer eine reine Feel Good Story will, ist hier fehl am Platz: Indien ist ein Land der starken Kontraste und so ist es auch diese Geschichte. Farbenfroh, reich und arm, heiss und würzig, laut, bitter und süss. Alka Joshi vermag jedoch, dies so zu dosieren, dass es einen beim Lesen nicht überwältigt, sondern fasziniert. Dabei webt die Autorin historische Gegebenheiten und soziale und gesellschaftliche Themen wie das Kastensystem, die Stellung der Frau, den Drahtseilakt zwischen Macht, Freiheit und (Selbst-)Verrat sowie Zwangsehen und Abtreibung völlig natürlich mit ein. Sie tut dies ohne den Zeigefinger zu heben, ins Drama abzurutschen oder sich in zu detaillierten Beschreibungen zu verfangen.
Der Roman bleibt so effektiv bis zur letzten Seite spannend. Dabei ist der Weg von Lakshmi und anderen Figuren heraus aus der Schuld und Scham der Vergangenheit hin zu wahrer, innerer Freiheit ein wahnsinnig bereicherndes Leseerlebnis. Gleichzeitig ein Stück indische Kultur zu erfahren, die eigene Reaktion auf offensichtliche Missstände und Ungerechtigkeiten zu entdecken und mitzuerleben, wie aus dem Schmerz der Vergangenheit Selbstermächtigung entsteht, macht diesen Roman zu mehr als nur “einer netten Geschichte”.
Und dass Alka Joshi mit dem Schreiben dieses Buches sehen wollte, wie wohl die Geschichte ihrer eigenen Mutter hätte verlaufen können, wenn sie als Teenager nicht in der arrangierten Ehe geblieben wäre, gibt dem Roman genau diese persönliche Note, die ihn für mich noch lesenwerter machen. Absolut empfehlenswert!