Inhalt vgl. Cover
Der Cover-Beschreibung habe ich eigentlich nichts beizufügen. Denn wenn ich anfange, dann schreibe ich selber ein Buch über dieses Buch…
Das Buch fand ich sehr interessant, weil die Autorin eine Person resp. “meine” Generation beschreibt. Ich habe mich an so vieles erinnert, immer wieder AHA-Erlebnisse gehabt und gestaunt. Entweder, weil die Zeit schon so weit zurück liegt oder weil ich dieses oder jenes Ereignis vergessen habe. Der Einstieg ist mir nicht leicht gefallen, weil er mehrere Seiten Aufzählungen enthielt. Aber schliesslich habe ich festgestellt, dass die Erzählerin anstelle von Kapitelüberschriften jeweils ein neues Foto aus dem Leben der Frau beschreibt und den Aufnahme-Moment dann mit den verschiedensten Ereignissen und Themen “ausschmückt”.
Ich war begeistert ab dem Schreibstil und insbesondere der Sprache. Beispiele:
- Zu Hause wechselte man, ohne nachzudenken, in die vertraute Sprache, bei der man nicht auf jedes Wort achten musste, sondern nur darauf, was man sagen durfte und was nicht, jene Sprache die man im Körper trug, die Sprache der Ohrfeigen, der Kittelschürzen (…)
- Eine diffuse Freude ergriff die Mittelschichtjugend, man organisierte “Partys”, erfand eine neue Sprache, sagte “bescheuert”, “stark” und “toll”, karikierte den Akzent der Pariser Oberschicht, spielte Tischfussball und nannte seine Eltern “die Alten”.
- Man schrieb Sätze von Schriftstellern über das Leben in ein Heft und entdeckte, wie berauschend es war, sich in Wörtern wiederzuerkennen, “existieren ist trinken ohne Durst”.
Die politischen Themen beschränkten sich auf Frankreich, resp. das französische Zentrum (die Autorin ist Französin, das Buch aus dem Französischen übersetzt), alle andern Themen beschäftigten jedoch mit Bestimmtheit die Mehrheit der ganzen westlichen Welt (Fortschritt, Wohlstand, Gesundheit, Religion, Sex, Familie etc.).
Ein paar Satz-Beispiele, die mich unter vielen fasziniert haben:
- Lebensende mit drei Buchstaben: Ehe 😆
- Die Fremde begann in der nächstgrösseren Stadt. Der Rest der Welt war unwirklich.
- Der Fortschritt war der Horizont des Lebens.
- Die Religion gab dem Leben einen offiziellen Rahmen und rhythmisierte das Jahr (Fastenzeit, Freitags kein Fleisch, Sonntag Kirchgang, Ostern, Weihnachten etc.)
- Die Zukunft bestand aus einer festgelegten Abfolge an Erfahrungen (Militär, Arbeit finden, heiraten, Kinder kriegen).
Ich empfehle das Buch einerseits der Baby-Boomer-Generation zur Erinnerung und andererseits all jenen, die sich dafür interessieren, was ihre Eltern und Grosseltern vor der digitalisierten Welt beschäftigt hat und wie sie ihren Alltag verbracht haben. 😊