Wir sind in Sibirien in der Sowjetunion in einer Kommunalka, das war eine Art staatlich verordnete WG, in der die Zimmer einer Wohnung auf mehrere Familien verteilt wurden, und die kollektiv genutzten Räume wie Küche und Bad so reguliert gemeinsam genutzt wurden, wie es die staatlichen Institutionen vorsehen. So wird der 3 cm zu grosse Küchentisch von Maria durch Genosse Matwei beklagt. Aber natürlich auch Begegnungsstätte zwischen den Bewohnern, deren Privatsphäre ja auf ein Zimmer beschränkt blieb. Wir landen tief im Dickicht sowjetischer Absurditäten. Und rund um diese Bühne gruppiert sich das Personal dieser Bühne an dem Tag, an dem der verehrte Genosse Generalsekretär Tschenenko das Zeitliche gesegnet hat. Wir sind im März 1985, als ein neuer Mann im Kreml an die Macht kommt, der Michail Gorbatschow heißt. Es wird Chopins Trauermarsch im Dauerlauf gespielt, aber in der sibirischen Provinz geht die sowjetische Realität unverändert weiter, noch ahnt niemand, welche Umwälzungen bevorstehen. Janka plant ihr Kwartirnik, eine Art “Hauskonzert” nicht systemkonformer Musik. Nachts arbeitet sie in der Fabrik, tagsüber kümmert sie sich um ihre Tochter Koschka, ihre Mutter Maria geht als Aufsicht ins Museum und die Oma Warwara hilft als pensionierte Hebamme auf der Gebärstation Kindern auf den Weg. Da ist Matwei, der pateitreue korrekte Beamte, der Versuche für die Weltraumfahrt beaufsichtigt. Ihm passiert an diesem Tag Unerhörtes, eine Versuchsperson stirbt. Es wirft ihn aus der Bahn, er klagt sich selber an. Da ist Ippolit, der Zugbegleiter, der immer alleine ist, weil seine Frau als Zugbegleiterin dann unterwegs ist, wenn er frei hat. Dann gibt es noch einen Professor, der immer abwesend ist, die Karisen und die Liebermann. Mit diesem Personal vollführt die deutsche Autorin mit russischen Wurzeln Grandioses, da wird geliebt, da wird gelästert und vor allem wird überlebt. Es entstehen groteske und absurd komische Dialoge. Die Welt wird als eine bürokratisch strukturierte Farce beschrieben, in der die “grosse Idee” den Menschen schätzen lernt, was ist, das beste aus der Situation zu machen und geduldig auf eine Verbesserung der Situation zu warten. Dieses kalte bürokratische System zwingt zur Menschlichkeit. So hilft die resolute Warwara einem Kind auf die Welt, dessen Mutter es ihr überlassen will. Matwei holt Koschka ab, weil Janka eine Gitarre auftreiben muss. Ihre Freunde Pawel und Andrej helfen ihr, mehr oder weniger. Das Ende des Buches ist der “Kwartirnik” und so surreal wie überragend.