Shelley legt mit diesem Roman die ‘erste Dystopie der Weltliteratur’ vor - so wird es auf dem Buchumschlag angekündigt.
Der Roman setzt im Jahr 2073 ein und endet 2100 - eine zukunftsträchtige Erzählung - in der romantischen Sprache jener Zeit, in der der Roman geschrieben wurde (1826).
Die Geschichte selbst gliedert sich in 3 Bände, im ersten wird ‘der Boden bereitet’, quasi die Kulisse des Kommenden aufgestellt, die Protagonisten eingeführt - inmitten von Romantik und Liebe, von Macht und Politik, von Intrigen und Ränkespielen deutet nichts auf kommendes Unheil.
Im 2. Band ist es dann allmählich ‘im Kommen’ - zunächst als Gerücht, dann als ferne Wirklichkeit - bis die Pest selbst in England seinen gefrässigen Schlund öffnet. Sommer für Sommer - 7 Jahre lang.
Der 3. Band zeigt die grausige Realität der letzten verbliebenen Engländer und deren Entschluss zur Emigration, zunächst Frankreich, dann die Schweiz. - Doch zeigt es sich auch, dass gegen diesen ungreifbaren Feind keine Schlacht gewonnen werden kann…
Meisterhaft schildert Shelley das Unheil, was es im Menschen anrichtet, wie es den einen durchaus im Mitgefühl zu ‘menschlicher Höhe’ hinauf führt, während es den andern in den Abgrund von Verzweiflung schleudert.
Mit vielen Zitaten von (z.B.) Defoe, Calderon, Shakespeare, Anleihen an griechische Mythologie und römische Geschichte, etc. zeigt Shelley eine breite, fundierte Bildung, die ebenso beleuchtend in die Erzählung einfliesst.
Beklemmend, wie Shelley auf der einen Seite die Krankheit und ihre Auswirkungen beschreibt - und diese verknüpft mit einer ‘entfesselten’ Natur - alles scheint aus dem Lot geraten… Zurück bleibt eine entvölkerte Welt, ihrer Schönheit beraubt - und nurmehr ein Überlebender seiner Rasse… auf der Suche und in der Hoffnung doch nicht der letzte zu sein…
Reflektiere ich die vergangenen beiden Jahre, die zunehmende Umweltzerstörung, beschleicht mich beim Lesen ein Grauen - und man kann es einem nicht verdenken, dass sich ein mulmiges Gefühl breit macht…
Wie gesagt, der Roman spielt zwar in ferner Zukunft (auch wir haben sie noch nicht erreicht - …vielleicht liegt darin genau die Chance…!!!), doch wird sie in der Sprache und Gebundenheit jener Schreibvergangenheit situiert - kein SiFi - man ist mit Ross und Dampfer, gar Ruderboot unterwegs und kocht mit Feuer. Gegen die Krankheit gibt es nicht eine medizinische Strategie (eher eine von Moral, Ordnung, Disziplin und Nächstenliebe). Das erzeugt eine gewisse Spannung zu unserem Erleben - ohne aber dem Geschriebenen eine tiefere Aussage und Glaubwürdigkeit abzusprechen.
Der Roman entbehrt nicht eines gewissen Imperatives - im Anblick unserer Zeit… - Vielleicht ist genau das das Tüpfchen auf dem i der/meiner Beklemmung…