Dieses Buch hat so eine traditionell männliche Schwere inne. Die beiden Kriegsveteranen, die sich in ihren Briefen auf diese präzise und raffinierte Art miteinander unterhalten, erinnern mich an einen ruhigen Grossvater, bei dem man vergisst, dass er unabhängig der jetzigen Enkelkinder auch mal ein eigenes Leben geführt hat. In starkem Kontrast zu den beiden Männern steht Ana, die ihre ganz eigene Geschichte verfolgt, die aber gleichzeitig vollkommen abhängig von der der anderen beiden ist. Sehr schön geschrieben und einen spannenden und schrecklichen Einblick in den Balkankrieg der 90er-Jahre.
Wer lügt? Lügen beide? Oder haben sie die Wahrheit einfach unterschiedlich in Erinnerung? Als Leser:in wird man aufgefordert mitzudenken, sich selbst eine Meinung zu bilden. Mir gefällt, wie bewusst darauf verzichtet wird zu erklären, was denn eigentlich wirklich passiert ist. Denn so ist es auch im echten Leben – wahr ist, wovon man selbst überzeugt ist.
Hin und wieder waren mir einige Abschnitte in den Briefen etwas zu theoretisch, etwas zu klug formuliert. Und ich hätte mir gewünscht, noch eine weitere Seite von Ana zu sehen, etwas mehr, noch etwas anderes.
Das ist aber Kritik auf hohem Niveau, denn das Buch hat mir sehr gut gefallen. Spannend, toll geschrieben und hat mir vor Augen geführt, wie wenig ich über den Balkankrieg weiss. Dieses Buch kann ich nur weiterempfehlen!