“Wenn Therapie eine Redekur ist, dann ist dieses wunderbare Buch eine Lesekur (…)” - so das Fazit des Guardian auf dem hinteren Buchcover - und das war für mich keineswegs zu hoch gegriffen.
Entlang der Wintermonate beschreibt May eigene Wintererfahrungen: zunächst die Erkrankung des Mannes (etwas befremdend immer nur mit H bezeichnet…), mit ungewissem Ausgang, ebenso die schulischen Probleme ihres Sohnes wie das eigene Ausgebranntsein mit Freistellung von der Uni und der Diagnose Asperger-Syndrom. - In den Monaten vom Spätsommer (Prolog September) bis zum Epilog (Ende März) deutet sie ihre eigenen Erfahrungen entlang der Vorgänge in der Natur. Dabei wird ihr klar, dass Winter zwar Reduktion und Rückzug ist, aber keineswegs Stillstand und Tod. Im Winter werden jene Kräfte gesammelt und gebündelt, die erst den Frühling in seiner Pracht und den Sommer in seiner Fülle ermöglichen. Daher plädiert sie für ‘Wintersorge’ - fürsorglichen Umgang mit sich selbst, statt Flucht vor dem eigenen Winter und den eigenen Wintererfahrungen.
Stark sind ihr gewählten Bilder aus der Narur - vor allem je tiefer der Winter wird. Ende Januar (Kapitel ‘Hunger’) bezeichnet sie sich als umherstreunenden, hungrigen Wolf. Sie hinterfragt ebenso das Bild der Ameisen und das der Bienen - und weiter vorne beschäftigt sie sich mit der Haselmaus. Die Bilder werden anschaulich aufgefaltet - und mit dem eigenen Leben verquickt.
Etwas allzu pauschalisierend waren für mich ihre Schlüsse betreff ‘Schule’ im Zusammenhang der Schulverweigerung ihres Sohnes (Epiphanias, ff). Nichtsdestotrotz gewinnt das Buch auch hier enorm an (mutiger) Tiefe, wenn sie resümmiert, dass nicht nur Glück eine Fähigkeit ist, sondern ebenso Traurigkeit.
‘Mehr als jede andere Jahreszeit erfordert der Winter eine Art von Metronom, das die dunkelsten Takte wegtickt und uns eine Melodie schenkt, die uns in den Frühling führt.’ - Beim Lesen des Buches änderte sich für mich das Ticken des Metronoms und ich hörte jene leise Melodie… die mich in den Frühling führen wird!