Fanny
Zuerst Mal sry für die verspätete Antowort, habe gerade Prüfungsphase und daher wurde es etwas später mit Lesen 😁
Man spürt deutlich, dass der Roman 1818 entstanden ist. Der Schreibstil ist ungewohnt, teilweise etwas sperrig, und ich musste mich erst einlesen. Ich bin eher langsam vorangekommen, weil ich anfangs nicht sofort in die Sprache und das „Wesen“ des Textes hineingefunden habe.
Die Briefkorrespondenz hat mir dann aber erstaunlich gut gefallen. Durch Waltons Briefe an seine Schwester merkt man, wie begeistert und angetrieben er ist und genau dadurch entsteht ein schöner Einstieg in die Geschichte. Als dann das Erzählen von Walton zu Viktor Frankenstein wechselt, verändert sich die Erzählhaltung komplett. Diese Ich-Perspektive von Viktor fand ich wirklich spannend.
Zwischen Walton und Viktor sehe ich thematisch eine Verbindung: Beide sind getrieben von dem Wunsch, Neues zu entdecken und Grenzen zu überschreiten. Dieses Bedürfnis nach Erkenntnis und etwas „Grösserem“ wirkt wie ein gemeinsamer Kern der beiden Figuren. Nur hat es der eine quasi durch und Viktor sieht in Walton sein früheres ich.
Viktor selbst nehme ich als jemanden wahr, dessen Neugier und wissenschaftlicher Ehrgeiz schon früh gefördert wurden. Er hatte viel Freiheit, wenig Grenzen und kaum jemanden, der ihn bremst. Das erklärt für mich, warum er später so extrem wird. Sein Drang, Leben aus dem Tod zurückzuholen, könnte auch mit dem Verlust seiner Mutter zusammenhängen, vielleicht steckt da unbewusst die Hoffnung dahinter, den Tod rückgängig machen zu können. Als Chemikerin kann ich seine Faszination für das Unbekannte und für wissenschaftliche Durchbrüche nachvollziehen, auch wenn seine Obsession natürlich ins Radikale kippt.
Am meisten beschäftigt hat mich genau dieses allmähliche Abrutschen in die Besessenheit: die Kombination aus persönlichem Verlust, fehlenden Grenzen und dem damaligen wissenschaftlichen Zeitgeist, der ja tatsächlich viele Forscher dazu gebracht hat, Dinge einfach nicht akzeptieren zu wollen. Sein Wunsch, etwas zu schaffen, was vor ihm niemand erreicht hat, wirkt nachvollziehbar, aber in seiner Intensität auch ein wenig erschreckend.