Fanny
Fanny Der Roman wurde 1818 erstmals veröffentlich. Wie kommt ihr` bisher mit dem Schreibstil zurecht? Sehr typisch für Texte dieser Zeit ist die Integration von Briefen und Briefkorrespondenz - wie gefällt euch dieses Stilmittel?
Ich bin mit dem Gedanken an das Buch, dass es echt schwierig wird, dieses Buch zu lesen. Und ich muss mir selber Recht geben. Manchmal musste ich einen einzigen Satz drei, viermal Lesen bis ich wieder weitermachen konnte. Das Stilmittel vom Briefroman gefällt mir erstaunlich gut. Ich hatte echt des Öfteren den Gedanken, dass Frankenstein mit mir direkt redet. Im Film würde man ja glaub sagen die vierte Wand durchbrechen? Aber ich denke auch, dass die Übersetzung in gewissem Masse auch an unsere Zeit angepasst wird. Ist ja auch mit der Bibel so. Worte, die heute nicht mehr im Gebrauch sind, werden durch Worte ersetzt die heute im Gebrauch sind.
Fanny In diesem ersten Leseabschnitt lesen weir einerseits die Briefe von R. Walton und die Ich-Erzählung von Viktor Frankenstein. Welche thematische Verbindung könnten diese beiden unterschiedlichen Erzählungen haben?
Bei den beiden sah ich direkt die Verbindung, dass Frankenstein in Walton sich selber sieht. Der Junge wissbegierige Mensch, der alles tut, um die Fragen die er hat, zu beantworten. Und Frankenstein ist wie ein Lehrer, der ihn davor warnt, was passieren könnte, wenn er sich bei gewissen Dingen falsch entscheidet.
Fanny Wie würdet ihr Viktor als Charakter beschreiben? Was hat seine Kindheit, Jugend und Entwicklung geprägt?
Frankenstein hatte eine behütete Kindheit gehabt. Er hatte ein gutes Leben. An das schlechte hatte er nur von Aussen dran geschaut. Aus meiner Sicht hatte er wohl auch kaum Konsequenzen gespürt oder mal eine Schelte kassiert. Das macht aus meiner Sicht dann auch den erwachsenen Frankenstein aus. Er rechnete nicht damit, das etwas in die Hosen gehen kann. Erst als das Monster die Augen aufgemacht hat, kam das Bewusstsein und auch die Ernüchterung, ich kann auch was verbocken. Und das man vielleicht nicht ganz so gnadenlos seine Forschungen vorantreiben sollte. Gleichzeitig kam mir halt auch der Ausspruch: Genie und Wahnsinn liegen dicht beieinander ziemlich oft in den Sinn.
Fanny Welche Szene aus diesem ersten Abschnitt hat euch am meisten beschäftigt - und weshalb?
Mich hat keine Szene per se beschäftigt. Sondern der Kontext zur Erschaffung des Monsters.
Ab Seite 70 liest man, wie er an Leichen das Leben, den Tod und den Übergang erforscht.
Auf Seite 73 und 74 liest man, wie er Zutaten sammelt.
Zitat Seite 74: Eine neue Menschengattung würde mich als ihren Schöpfer und Entdecker preisen…
Dieser Teil sagt mir irgendwie, dass er gar nicht im Sinn hat, den Menschen eins zu eins mit menschlichen Teilen zu kopieren.
Und das folgende Zitat auf Seite 74:
Bei weiterer Überlegung war ich überzeugt, wenn ich leblose Materie beleben konnte, würde ich im Laufe der Zeit auch imstande sein (was sich dann allerdings als unmöglich erwies), auch da Leben wieder herzustellen, wo der Tod den Körper bereits der Verwesung überantwortet hatte.
Mit dem hier auf Seite 75
Wer kann das Grauen meiner verschwiegenen Arbeit ermessen, wenn ich in ungweihter Grabesfeuchte wühlte oder lebendige Kreaturen marterte, um den unbeseelten Lehm zu beleben?
und dem hier auf Seite 94/95:
Wenn ich glücklich war, hatte die unbelebte Natur die Macht, in mir die schnönsten Regungen zu wecken.
sagt mir, das er das Monster aus Lehm oder sonstigen ähnlichen Dingen erstellt hat. Für Frankenstein war das Leben nur in Mensch und Getier. Alles andere war für ihn tot. Ich habe ziemlich schnell an den Golem gedacht. Und auch der Zusatz des Buchtitels: oder der moderne Prometheus weisst ja irgendwie darauf hin. Der Prometheus aus der Mythologie hat in gewissen Erwähnungen/Varianten ja auch den Menschen aus Lehm erschaffen.