SophiesBuecherwelt
Den zweiten Teil und somit das ganze Buch gelesen. Mit der Zeit fiel mir die indirekte Rede nicht mehr sonderlich auf. Der Erzählton und das Setting haben sich nur wenig verändert, einzig mit der Pferdegeschichte (die Mustangs) konnte ich wenig anfangen, vielleicht auch, weil der Weg von der Pferdebeobachtung bis hin zum Ekel darüber, der Tepper ins Bordell treibt (S. 125), irgendwie «krass» ist. Hingegen ist die Geschichte des Ehepaars, das aufgrund einer Abzocke immer tiefer in eine Depression versinkt und am Schluss nur noch den Ausweg des gemeinsamen Selbstmords findet (wenn dies auch nicht explizit erwähnt wird), packend erzählt.
Was bleibt: Das Buch lässt sich gut lesen, ist gespickt mit Anspielungen und teils rätselhaften, traumartigen Geschichten – und es lässt mich dennoch etwas ratlos zurück. Wie mehrfach geschrieben entwickelt das Buch einen Sog, nicht wohl zuletzt aufgrund der indirekten Rede. Es spielt auf mehreren (Zeit-)Ebenen, die Poetikvorlesung, das Camp im Dschungel rund um die Einladung des Theatermachers sowie die eingeflochtenen diversen Geschichten und Rückblenden (die Holländerinnen, die Ziegen…). Dennoch behält man den Überblick. Es mag aber nicht sonderlich verwundern, dass jemand, der in der Nacht mitten im Dschungel den Anschluss an seine Gruppe verliert, in Panik gerät und auch beschreibt, dass die Sprache nicht hinreichend diesen Horror zu beschreiben vermag (S. 140).
Nur, was hat sich der Theatermacher dabei gedacht, seine Gruppe – inklusive der Mädchenschar aus Leiden – ohne Rücksicht auf Verluste mitten in der Nacht durch den Dschungel zu peitschen? Und weshalb geht er den Flusslauf hoch, obwohl das Wasser selten aufwärts vom Meer weg fliesst, wo das Camp liegt? Und weshalb verlässt die Schriftstellerin das Camp ohne sich rückzuversichern, ob alle wohlbehalten zurückgekehrt sind? Was passierte mit der ganzen Gruppe? Die Lesenden erfahren es nicht.
Ein Gedanke blitzt auf: In etwa zehn Jahren erscheint ein Buch, in dem eine Erzählerin über einen Knochenfund im Dschungel berichtet, Skelette mehrerer Erwachsener und auch von Kindern. Sie erzählt, dass man sich noch erinnere an einen Theatermacher, der mit einer Gruppe in den Dschungel losgezogen sei auf der Suche nach der Geschichte hinter dem Verschwinden zweier Holländerinnen und nie mehr zurückgekommen sei. Damals habe ein sehr lesenswertes Buch schon einmal darüber berichtet …
Wurden meine Erwartungen erfüllt? Jein. Das Buch fasziniert in Teilen und es ist offensichtlich, dass die Schriftstellerin Elmiger die Sprache bestens beherrscht. Aber die Rahmenhandlung scheint mir konstruiert und eine Erzählerin, die sich am Ende ohne Rücksicht auf ihre Gruppe aus dem Staub macht, «eher» unsympathisch und auch weltfremd (es brauchte ja nicht gerade ein Happy End).
Ob dieser Roman den Deutschen Buchpreis verdient hat? Da müsste man zuerst die anderen fünf nominierten Bücher lesen …