Meine Meinung zum 3. Teil:
Wow, ich bin jetzt auch mit dem Buch durch und gerade das letzte Drittel war wirklich schwere Kost.
Ich hatte nicht erwartet, so tief in die Familiengeschichte einzutauchen und mitzuerleben, wie trostlos und bedrückend sie ist. Trotzdem habe ich auch diesen Abschnitt schnell gelesen. Ich konnte das Buch trotz der Tragik und des schweren Themas einfach nicht aus der Hand legen.
Der dritte Teil hat mich ziemlich mitgenommen. Ich hätte es schöner gefunden, wenn das Buch auf einer etwas hoffnungsvolleren oder versöhnlicheren Note geendet hätte. Andererseits kann man das Ende auch als eine Art Befreiungsschlag des Protagonisten deuten: Indem er sich mit dem „Amnesiebogen“ seiner Familie auseinandersetzt und die Geschichte aufschreibt, befreit er sich von dieser Last und verhindert vielleicht sogar, dass ihm dasselbe Schicksal widerfährt wie seiner Familie (S. 154):
“Ohne es zu wollen, hatte sie sich ihrer inneren Prophezeiung angenähert. Man kennt es aus Ärztefamilien, aus Unternehmerfamilien: der unterschwellige Druck, eine Tradition zu erfüllen. Dieser Druck existiert auch auf der anderen Seite: Das Unbewusste will das altbekannte Unglück wiederherstellen.”
Vielleicht ist es also gut, dass der Autor das Buch genau so enden lässt. Ich finde, er hat die Thematik sehr sensibel und eindringlich eingefangen. Am Ende ist es eben auch wichtig, diese Seite des Lebens zu zeigen und sichtbar zu machen, dass es Menschen gibt, die in ihrer eigenen Welt leben, die deshalb aber nicht minderwertig sind. Sie haben nur in unserer sogenannten „normalen“ Gesellschaft Schwierigkeiten, ihren Platz zu finden.
Im Grunde bringt der Vater es auf den Punkt (S. 170):
„Wir alle erschaffen unsere eigene Realität.“
Rückblickend finde ich es ein wenig schade, dass der botanische Bezug, den Titel und Cover suggerieren, nicht stärker ausgeprägt war. Das hätte sicher spannend werden können, wenn dieses Thema noch mehr eingeflossen wäre oder ich habe einfach nicht alle entsprechenden Stellen erkannt.
Ich lasse das Buch noch ein paar Tage nachwirken, bevor ich meine Rezension schreibe.
Definitiv mochte ich den schnellen, intensiven ersten Teil und die detaillierten Beschreibungen der Abteilungen im zweiten. Der dritte Teil jedoch liegt mir etwas schwer im Magen.
Im Moment würde ich das Buch dennoch weiterempfehlen, aber nicht uneingeschränkt. Man muss sich auf die Familiengeschichte einlassen können und bereit sein, sich mit ernsten Themen auseinanderzusetzen.
Ich bin auf jeden Fall unglaublich froh, dass ich das Buch im Rahmen der Leserunde lesen durfte. Wahrscheinlich hätte ich es mir selbst nicht gekauft und bin dankbar, dass ich durch solche Leserunden meinen Lesehorizont erweitern und Werke abseits meiner bevorzugten Genres entdecken darf.
Ich denke sogar, dass ich das Buch relativ bald ein zweites Mal lesen werde. Ich bin gespannt, was mir dann noch alles auffällt. Die vielen Zitate, die mich vor allem im ersten und zweiten Teil tief berührt haben, begeistern mich nach wie vor. Es kommt wirklich selten vor, dass ich so viele Stellen finde, die mich auf ganz unterschiedlichen Ebenen ansprechen.
Alles in allem ist “Botanik des Wahnsinns” ein eindrucksvolles, forderndes Werk, das lange nachhallt.
Es konfrontiert mit Schmerz, Erinnerung und familiären Verstrickungen und zeigt zugleich, wie heilsam das Erzählen sein kann. Auch wenn mir das Ende schwer im Magen liegt, sehe ich darin eine stille Kraft und Konsequenz, die das Buch in seiner Gesamtheit sehr stimmig machen.
Ich bin dankbar, diese Lektüre gemacht zu haben, nicht nur wegen der Geschichte selbst, sondern auch wegen der Gedanken und Emotionen, die sie in mir ausgelöst hat. Manches war unbequem, anderes berührend, vieles sehr menschlich. Und vielleicht ist es genau das, was gute Literatur ausmacht.