Das letzte Drittel des Romans hat mich noch einmal stark gefordert – es schlägt die Brücke von der verstörenden Abwärtsspirale im zweiten Teil hin zu einem Finale, das konsequent und schonungslos erzählt ist. Ji-wons Doppelleben als brillante Studentin einerseits und Serienmörderin andererseits wird hier unübersehbar. Ihre „Geständnisse im Stillen“, wenn Alexis von einem Psychokiller spricht und Ji-won in Gedanken weiss „sie spricht über mich“, verdeutlichen den Bruch zwischen ihrem Innen- und Aussenleben.
Besonders eindrücklich finde ich, wie die Beziehung zu George eskaliert. Schon seine Rückkehr aus Thailand ist voller Misstrauen und Abscheu, die Rolex-Episode und sein zunehmender Verfall zeigen ihn als gebrochene Figur, gleichzeitig aber bleibt er für Ji-won Symbol einer zerstörerischen Macht. Dass sie ihn am Ende im Spital überfällt und auch seine Augen isst, wirkt wie eine groteske Vollendung ihrer Obsession. Der Mord an George ist aber nicht nur persönliche Rache, sondern zugleich ein Akt, durch den Ji-won Geoffrey endgültig in den Abgrund zieht – indem sie seine Fingerabdrücke an der Tatwaffe platziert und ihn durch geschickte Manipulation in die Schuld hineinzieht.
Auch die Entwicklung mit Geoffrey und Alexis bringt neue Schattierungen: Während Alexis eine ambivalente Mischung aus Nähe und Sehnsucht darstellt, wird Geoffrey zum tragischen Opfer von Ji-wons Spiel. Die Art, wie sie ihn systematisch in die Falle laufen lässt, ist ebenso grausam wie folgerichtig.
Dass Ji-wons Erlebnisse im Spital noch einmal medizinisch rationalisiert werden – der Hirntumor, der angeblich operiert werden musste – öffnet für mich eine zusätzliche Lesart: War all dies Symptom einer Krankheit, Projektion, Wahn? Oder bleibt der Text gerade deshalb so verstörend, weil diese Diagnose die grausame Realität nicht wirklich entschärft? Für mich unterstreicht die Autorin damit die unauflösbare Mehrdeutigkeit zwischen psychischer Krankheit, Gesellschaftskritik und Horrorfiktion.
Zum Schluss wird der Blick noch einmal auf den Vater gelenkt, der in einer neuen Familie erneut Vater wird. Für Ji-won ist damit klar, dass ihr Rachefeldzug nicht abgeschlossen ist. Dieser Schluss hält die Bedrohung offen – ein Ende ohne Erlösung, sondern mit der Ankündigung, dass der Kreislauf der Gewalt weitergehen wird.
Mein Fazit: Das Buch zu lesen hat mir grossen Spass gemacht. Es ist gleichzeitig spannend, irritierend und verstörend, voller Symbole und Brüche, und lässt viel Raum für Deutung. Vor allem gefällt mir, wie sich die Geschichte vom Familiendrama im ersten Teil über das Abgründig-Surreale im zweiten Teil hin zu einem kompromisslosen, offenen Ende steigert.