Teil 2 (bis S. 239, Kap. 21–45)
Im zweiten Teil verändert sich für mich die Erzählung spürbar. Während der Beginn noch in einer nachvollziehbaren Familiensituation verankert war, wirkt die Handlung nun zunehmend verstörend und surreale Elemente treten stärker in den Vordergrund. Ji-won verliert immer mehr den Halt: Sie ist in der Schule unkonzentriert, schreibt schlechte Noten, fühlt sich verfolgt und erlebt diese „Umnebelungen“ nun auch tagsüber. Die Obsession mit Georges Augen wird drängender, verbunden mit Gewaltfantasien, die den Text sehr dunkel färben.
Besonders eindrücklich fand ich, wie sich das Augenmotiv weiterentwickelt: Aus der symbolischen Ebene der Fischaugen, die Glück und Erwachsenwerden markieren sollten, ist inzwischen eine körperlich-groteske Obsession geworden. Mit den ersten realen Gewalttaten – als Ji-won Obdachlosen die Augen entfernt und isst – kippt das Motiv vollständig ins Abgründige. Für mich wirkt das wie ein Bruch: Aus einer subtilen, kulturell aufgeladenen Symbolik entsteht ein unheimliches Ritual, das Macht aneignen will und zugleich Entsetzen auslöst.
Sehr stark ist auch Ji-wons innere Reflexion über Geschlecht, Macht und Rassismus. Ihre Gedanken darüber, dass Männer und besonders weisse Männer wie George, eine Selbstverständlichkeit von Dominanz ausstrahlen, während sie und ihre Schwester sich minderwertig fühlen sollen, verbindet ihr persönliches Leid mit einer gesellschaftlichen Dimension. Diese Passagen geben dem Text eine zweite Ebene, die über das Familiendrama hinausweist. George wird dadurch weniger zur individuellen Figur, sondern vielmehr zur Verkörperung einer strukturellen Gewalt, die Ji-won empfindet.
Auch die Beziehungen verschieben sich: Zur Mutter bleibt das Verhältnis von Fürsorge und Verantwortungsgefühl bestehen, gleichzeitig erkennt Ji-won klarer, dass Umma sich von George ausnutzen lässt. Die Verbindung zu Alexis, die zwischen Freundschaft und Begehren schwankt, eröffnet eine neue Seite von Nähe, die zugleich riskant wirkt. Mit Geoffrey, ihrem Mitschüler, den sie immer wieder sabotiert, spiegelt sich ihre eigene Zerrissenheit – Nähe und Zerstörung liegen eng beieinander.
Insgesamt empfinde ich den zweiten Teil als radikalen Bruch mit dem ersten. Die Geschichte verliert ihre anfängliche Bodenhaftung und kippt ins Unheimliche und Verstörende. Für mich bleibt die Spannung darin, dass unklar ist, ob all dies als Metapher zu verstehen ist oder ob wir hier gerade “Zeugen” eines psychischen Absturzes werden. Gerade diese Unschärfe macht für mich den Reiz des Romans aus, auch wenn die Lektüre deutlich irritierender und beklemmender geworden ist.