Mein Eindruck vom 2. Teil:
Auch der zweite Teil hat mir insgesamt gut gefallen. Allerdings wurden mir die Figuren im Verlauf zunehmend unsympathischer. Besonders mit ihrem Verhalten hatte ich stellenweise Mühe.
Zoe’s Erfolgsdrank:
Für mich ist es schwer nachvollziehbar, wie jemand so verbissen nach Anerkennung streben kann. Hat sie sich nicht längst selbst bewiesen, dass sie außergewöhnlich intelligent ist und viel erreichen kann? Natürlich ist mir bewusst, dass es in der Wissenschaft wichtig ist, Ergebnisse zu liefern, wenn man wahrgenommen werden möchte, insbesondere als Frau, da gewisse Vorurteile leider noch nicht vollständig überwunden sind. Dennoch wirkt ihr Verhalten auf mich zunehmend zwanghaft. Eine Stelle auf S. 201 verdeutlicht das sehr treffend:
Zoes Kopfschmerzen verschlimmerten sich und krochen von ihrem Nacken bis über ihr linkes Auge. “Es war unsere Idee”, sagte sie. Warum war sie so sauer? Sie wollte Annerkennung - es nervte sie, wenn die Leute annahmen, alles Wissenschaftliche stamme von Jack.
Auch das anschließende Gespräch mit ihrem Vater (den ich übrigens zunehmend unsympathisch finde) schlägt in dieselbe Kerbe. Abgesehen von ihm habe ich nicht den Eindruck, dass Zoe von anderen wirklich übergangen oder unterschätzt wird. Vieles scheint sich eher in ihrem eigenen Kopf abzuspielen. Zudem zeigt gerade Professor Hall, dass es durchaus möglich ist, als Frau in einem MINT-Fach an Harvard erfolgreich zu sein.
Zoe & Carter’s Beziehung:
Mit der Beziehung zwischen Zoe und Carter wurde ich von Anfang an nicht richtig warm. Auf den Seiten 208/209 wurde ich regelrecht überrascht. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich zwischen den beiden etwas anbahnt, und plötzlich waren sie ein Paar. Die spätere Trennung kam für mich daher nicht unerwartet. Es wirkte eher wie eine Zweckgemeinschaft, in der beide vom Prestige des anderen profitierten. Aus meiner Sicht lässt Carter sie ziemlich plötzlich fallen. Andererseits kann ich es ihm nicht verdenken. Zoe scheint vollkommen von ihrer Arbeit eingenommen zu sein. Ich bin gespannt, ob sich noch eine tiefere Erklärung für sein Verhalten ergibt. Vielleicht hat Carter auch früh erkannt, dass Jack nicht mit offenen Karten spielt?
Götzenbilder:
Die Einführung der sogenannten „Götzenbilder“ auf Seite 234 fand ich sehr spannend:
“Es gibt vier Götzenbilder”, sagte der Professor, der zu Glück forschte und in dem Podcast zu Gast war, den Zoe manchmal auf langen Läufen hörte. “Vier falsche Götter: Ruhm, Macht, Geld und Lust.” Vermutlich würde der Professor sagen, dass es ihr um Ruhm ginge. Aber es hatte mehr mit Respekt zu tun. Oder damit, ernst genommen zu werden.
Diese Stelle wirkt für mich wie eine Art Vorahnung, dass noch etwas Dramatisches passieren wird. Bisher lassen sich alle vier „falschen Götter“ im Roman gut erkennen, was ich sehr gelungen finde.
Mira:
Ich finde es mutig, dass Mira Zoe offen konfrontiert. Das spricht für einen starken Charakter. Zwar kann ich Zoes erste Abwehrreaktion nachvollziehen, dennoch finde ich es schade, dass sie Mira mit einer gewissen Hochnäsigkeit begegnet. Ein offenes Ohr für Kritik und Feedback aus dem Team ist meiner Meinung nach ein Zeichen von Größe. Ich bin gespannt, ob Mira im weiteren Verlauf der Handlung nochmals auftauchen wird oder ob es bei diesem kurzen Auftritt bleibt.
Beziehung/Dynamik zwischen Zoe & Jack:
Die Beziehung zwischen Zoe und Jack ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Es ist für mich schwer nachvollziehbar, wie Zoe so rasch von Carter zu Jack wechseln konnte. Sie wirkt eigentlich nicht wie jemand, der nicht allein sein kann. Ich frage mich, ob und wie sie Jack mit der Wahrheit konfrontieren wird. Wird sie weiterhin die Augen verschließen? Und falls sich der Betrugsverdacht bestätigt: wird sie zu ihm halten oder sich selbst schützen?
Start-up Branche:
Ich habe selbst einige Zeit in der Start-up-Branche gearbeitet und erkenne vieles wieder. Die Unterschiede zur Schweiz scheinen groß, aber ich halte es für absolut realistisch, dass es in den USA so läuft, wie es im Buch beschrieben wird: Die Person hinter der Idee tritt oft in den Hintergrund, während die Investoren ausschließlich auf Profit fokussiert sind. Ich bin sehr gespannt, ob und wann diese Investoren von den Unregelmäßigkeiten erfahren. Und ob es noch zu juristischen Konsequenzen für Manna kommen wird. Gut möglich, dass Forderungen folgen oder sich Investoren hintergangen fühlen.
Jack’s Datenmanipulation:
Ich bin ehrlich entsetzt, dass Jack tatsächlich Daten manipuliert hat. Die Wissenschaft hat in der heutigen Zeit bereits genug mit Vertrauensproblemen zu kämpfen. Ein solcher Vorfall in der Realität, sollte er ans Licht kommen, würde das Vertrauen in die Wissenschaft weiter untergraben. Ich sehe aktuell keinen Grund, der diesen ethischen Bruch rechtfertigen würde. Meiner Meinung nach stellt das Fälschen von Daten eine schwerwiegende Verletzung wissenschaftlicher Integrität dar.
Fazit:
Trotz der kritischen Punkte finde ich die Geschichte weiterhin fesselnd. Ich bin sehr gespannt, was im dritten Teil noch passieren wird. Ob es zu einer Abrechnung kommt und ob sich Zoe und Jack durch ihr Verhalten nicht vielleicht selbst ihre noch jungen Karrieren bereits ruiniert haben.