Eine Mutter und ihre beiden Kinder, vermutlich schon (fast) erwachsen, warten zu Hause auf den Vater. Weil er befördert werden sollte, ist ein Festessen geplant: Das Muschelessen, das seit Beginn der Ehe von den Eltern gemeinsam zubereitet wird, als Symbol für Gemeinschaft und Familienidyll. Ein Ritual, das auf den ersten Seiten bereits unterbrochen wird, denn die Mutter übernimmt das aufwändige Putzen über der Badewanne alleine.
Die Tochter ist die Erzählerin. Sie schildert uns den Hergang dieses aussergewöhnlichen Abends, als sie auf den Vater warteten, und gleichzeitig erfahren wir viel über die Familienverhältnisse. Es ist, als ob wir einem jungen Menschen zuhören, der nach Jahrzehnten des Sprachverbots und der Sprachlosigkeit endlich erzählen darf und nicht unterbrochen wird. Sie redet ohne Punkt und Komma - eigentlich mit sehr vielen Kommas, aber maximal einem Punkt pro Seite. Sie erzählt uns die Familiengeschichte, den Hergang des Abends und vieles über die Normen und Werte ihres Zuhauses. Alles, was sie so beschäftigt, sprudelt gewissermassen aus ihr heraus: die ideologischen Familienwerte, die Loyalität der Mutter, die Ungeduld des Vaters, das Schweigen, ihre eigene Verstocktheit, die Weichheit des Bruders und wie der Vater ein strenges Regime führte, was ihm alles zuwider war und viel über die Regeln, die sie nie richtig verstanden hatte. Ganz leise werden an diesem Abend nie dagewesene Banden geknüpft, die in eine subtile Verschwörung münden und die Autorität des Vaters untergraben.
Der nur hundert Seiten lange Plot ist eindrücklich aufgebaut. Durch die persönliche Sicht und den scheinbar willkürlichen Erzählstil in Ich-Form, geht einem die Geschichte unter die Haut. Eine Charakterstudie, in der Sprache einer jungen Frau aus spannungsgeladenen Familienverhältnissen. (Erstmals erschienen 1990 und, aus meiner Sicht zu Recht, mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet).