DrQuinzel
Das war einfach ein superspannender, sehr gut zu lesender Thriller. Und zudem war er mit vielen realitätsnahen Bezügen gespickt, die mir ganz besonders gut gefallen haben.
Da ich selbst Italienerin bin und die 60er-Jahre hautnah erlebt habe, bescherte mir vieles, das im “Der dunkle Sommer” beschrieben wird, ein Eintauchen in die Kindheit und Jugend. Flashbacks, sozusagen. Die Wiedergutmachungsehe, zum Beispiel, habe ich im Bekanntenkreis erlebt, wobei die Entführung des Mädchens inszeniert war, weil sie nämlich heiratswillig, aber einfach zu jung war, um den elterlichen Segen zu erhalten. Oftmals wurde die Wiedergutmachungsehe ja auch erzwungen, um der langen Militärdienstzeit (damals 18 Monate) zu entkommen: War der Mann nämlich verheiratet, verkürzte sich die Dienstzeit um etliche Monate.
Es gab während des Lesens viele Spekulationen meinerseits; einige bewahrheiteten sich, andere dann weniger - was aber genau den Thrill ausmachte. Ich liebte die überraschenden Wendungen. Dass Daniel nicht ganz sauber war, war mir von Anfang an klar (er war schon sehr undurchsichtig charakterisiert), aber ich wusste nicht, inwiefern er regelbrechend war. Ich empfand ihn eher als einen Nebenschauplatz, der vom wesentlichen Kern der Geschichte ablenken sollte - quasi “ein bisschen Sex zum Crime”. Franca als Pflegerin dachte ich mir hingegen schon; die Person war mir immer irgendwie suspekt.
Die Rolle der Frau, das ist ein Thema, das mich im Buch wütend machte und im Hier und Jetzt immer noch umtreibt. Ich habe diese mangelnde Wertschätzung der Frau selbst erlebt mit meinem Vater, der eine ziemlich ähnliche Einstellung dazu hatte: Der Mann hat halt Bedürfnisse, Frauen sind schuld, wenn, und überhaupt soll man sich nicht so anstellen und einfach darüber und überhaupt schweigen. Zum Glück hat sich auch im Süden Italiens und auf Sardinien einiges verändert … leider aber nicht alles. Auch die Entführungen, die in meinen Jugendjahren gang und gäbe waren, sind zum Glück nicht mehr üblich.
Somit hat mich “Der dunkle Sommer” in mehr als nur einer Hinsicht gefesselt. Mich hat aber auch der Aufbau des Krimis überzeugt, die Spannungslinie und die Sprache Vera Bucks. Ich hatte schon in meinem ersten Post geschrieben, dass ich gespannt war, wie die Geschichten der einzelnen Figuren sich verweben würden, doch der Schluss überraschte mich dann doch sehr. Auch wenn ich letztlich diesen versöhnlichen Moment etwas gar kitschig fand, er passte durchaus. Dass Tilda und Nathan wieder zueinander finden könnten, das hingegen gefällt mir sehr gut. Schuld an der Trennung war ja nicht die mangelnde Liebe, sondern das Trauma …
Und zuletzt: Ich werde mit Sicherheit noch mehr Bücher von ihr lesen. Danke, dass ich diesmal dabei sein durfte.