Hallo zusammen
Ich mochte den letzten Teil des Buchs sehr gerne. Der Autor hat die losen Enden gekonnt zusammengeführt, und auch sprachlich fand ich diesen Abschnitt wieder besonders schön:
Seite 307: «Plötzlich schwammen wir in kobaltblauem Feuer, und jeder Beinschlag, jede Armbewegung entzündete die ringsum wirbelnden Planktonstürme.»
Seite 338: «(…) da liefen die Strausse schwerelos, lautlos an uns vorbei, und ihre dichten, prächtigen Federn schwankten wie Bäume im Wind. Ihre mit Krallen bewehrten Füsse schienen den verdorrten, felsigen Boden kein einziges Mal zu berühren, nicht einmal zu streifen. Plötzlich verstand ich, warum Strausse nicht fliegen können – sie müssen es nicht.»
Der Epilog bildet einen schönen Abschluss, der mich das Buch zufrieden lächelnd beenden liess. Lesley scheint in Afrika doch auch eine gute – und unerwartet lange – Zeit mit Robert gehabt zu haben. Ob sie ihm mit der Einladung seines früheren Geliebten zu Willies Abschiedsessen stumm zu verstehen gab, dass sie über seine Neigung Bescheid wusste – und so ihrer Ehe einen Neuanfang ohne bedrückendes Schweigen ermöglicht hat?
Ich denke, dass Lesley – zu ihrer Zeit – eine recht eigenständige Frau war; sie war allein unterwegs, widmete sich ihren Interessen und hielt mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. Den Schein einer intakten Ehe wollte sie dennoch um jeden Preis wahren. Die Erkenntnis, dass ihr Mann homosexuell ist, scheint ihr in Bezug auf ihr Selbstwertgefühl und ihre Unabhängigkeit sogar geholfen zu haben. Schlussendlich war es auch ihre Entscheidung, zusammen mit Robert und den Kindern nach Afrika auszuwandern.
Was Ethel Proudlocks Schicksal betrifft, hat sich der Autor im Buch die Freiheit genommen, dieser mit dem durch Mann und Vater erzwungenen Mord eine grausame Wendung zu geben. In Wirklichkeit hat sie die Tat wohl aus eigenem Antrieb begangen – wurde jedoch ebenfalls begnadigt und hatte das Land mit ihrer Tochter verlassen.
Ich habe Lesleys und Willies Geschichte mit den Nebensträngen sehr gerne gelesen. Über Willies Zeit nach den zwei Wochen in Penang hätte ich gerne etwas mehr erfahren. Williams und Geralds Beziehung scheint die vorübergehende finanzielle Krise jedenfalls überstanden zu haben. Im echten Leben war Gerald bis zu seinem Tod ebenfalls Willies Gefährte. Sie lebten in einer Villa in Cap Ferrat, die auch im Buch beschrieben wird. Dazu habe ich das passende Bild gefunden, welches auch das maurische Zeichen, Willies hamsa zeigt: https://www.topfoto.co.uk/asset/4169695/
Insgesamt hat mir das Buch mit seiner bildhaften, manchmal poetischen Sprache sehr gut gefallen. Inspiriert von wahren Begebenheiten, lädt es nach Beenden der Lektüre dazu ein, weiter in die Geschichte und das Leben der Figuren aus dem Roman einzutauchen.
Was mir etwas gefehlt hat, war ein Glossar für die malaiischen und afrikanischen Ausdrücke – oder Fussnoten mit einer direkten Erklärung. Zudem hätte ich eine Anmerkung begrüsst, dass gewisse im Buch verwendete Bezeichnungen für Menschengruppen heute als abwertend gelten, z. B. «Kuli».
Vielen Dank, dass ich an der Leserunde dabei sein durfte – und für den spannenden Austausch!