Erneut tauchte ich mit Kai Meyer ein ins Graphische Viertel Leipzigs zur Zeit der NS-Herrschaft, ins nebelumwaberte Herz des Deutschen Buchhandels, in verschlungene Kopfsteingassen voller Druckereien, Buchbindereien, Buchhandlungen, Antiquariate etc.
Diesmal erzählt Meyer aus drei Zeiten und Perspektiven: Ich-Erzähler Robert Steinfeld sucht im Jahr 1971 nach einer Spur seiner Eltern und einer Erklärung dafür, warum er bis zur Bombardierung des Graphischen Viertels 1944 im Gartenhaus einer Villa eingesperrt war. Ein allwissender Erzähler wiederum begleitet uns ins Jahr 1933 zu Roberts Vater, Jakob Steinfeld, sowie ins Jahr 1944, als Robert an der Seite Mercurios in zerbombten Städten nach seltenen Büchern sucht.
Wie alles miteinander zusammenhängt erschliesst sich uns wegen der Wechsel, weiterer Nebenschauplätze und loser Enden erst sehr spät. Ich muss auch zugeben, dass ich Roberts Schnitzeljagd am Schluss nochmal überfliegen musste, um zu verstehen, warum er wann wo hingegangen ist – und was er damit bezweckt hat. Beim Lesen wiederum stören die Irrwege, auf die er gerät, jedoch überhaupt nicht. Zwei Schlussfolgerungen/Motive fand ich nicht ganz logisch (einmal betreffend Mercurio und dann hinsichtlich des Verbleibs eines Manuskripts) und leicht gestört hat mich die Nutzung von SA-Trupps und Stasi-Beamten für die Kulisse (weil es mir schablonenhaft erschien). Freude wiederum hatte ich an dem neuen Blick, den wir auf ein Ereignis erlangen, das uns aus «Das Haus der Bücher und Schatten» bekannt ist, sowie an Figuren wie Grigori und Marie.
Es ist einmal mehr ein Buch voller Atmosphäre und Spannung geworden, an dem ich insbesondere die Einblicke in die Geschichte des deutschen Buchhandels besonders fesselnd fand. Auch hier haben wir es mit Okkultismus, grauen Eminenzen und Logen zu tun, aber eben auch mit einem Buchbinder und zwei Bücherjägern. Erneut einfach gutes Lesefutter zum Einigeln.