Das Ende des Buches war so rasant, dass ich noch etwas nach Luft schnappen musste. Ich bin hoch zufrieden, wie sich alles entwickelte, das Ende ist für mich eine logische Folge, nach allem, was noch passiert ist.
Ich habe das Buch genossen, hatte zeitweise sogar Herzklopfen vor lauter Aufregung. Das Lesen und der Austausch mit euch in dieser Runde liessen mich die Geschichte voll auskosten, die Wartezeiten bis zum Weiterlesen gaben viel Luft, um über das Gelesene nachzudenken und mir weiterführende Fragen zu stellen. Ja, was passiert, wenn KIs ihr Handlungsmuster verlassen?
Die neuste Generation ist bereit und besitzt unerwartetes Potenzial. Zea stirbt, Ling fragt sich, wer nun ihr Fernrohr in die Vergangnheit sein wird. Es bleiben nur Erinnerungen, Erinnerungen lügen, bei jedem Abruf verändert sich etwas: Das Gehirn erzählt es um. Schön fand ich in Zeas Abschiedszeilen: Schöpfungen entstehen und vergehen. Immer geht es darum, sich einen Platz zu suchen, sich einzunisten in dieser Welt, die jeder zu seiner Welt machen muss.
Ling hofft und generiert daraus Wünsche, dass Zea eine Künstliche wäre, die Kreatur eines Erfinders, eine Maschine, deren Innereien miteinander funktionieren und agieren, dass sich alles nach Sinn und Absicht bewegen könnte, mit einem Herz mit menschenähnlichem Antrieb und Willen. Über diese törichten Gedanken kann sie sogar richtig weinen. Zeas Geist wird befreit, wird sich bald eine neue Hülle suchen. Ling vermutet, dass Unsterblichkeit keine Illusion ist.
Ling hat nachgedacht und sagt Jon B., dass sie ihn zur Fortpflanzung brauchen. Jon B. kann sein Glück nicht fassen, sein Herz wird frei. Es zerspringt wie in Brüder Grimms Märchen „Froschkönig oder der eiserne Heinrich“, wie Heinrichs Herz, in einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat. Als er Ling und Ada mit dem Kinobesuch und „Paradise Express“ überrascht, umarmt und küsst ihn Ling. Hier pulsiert die Szene in Jon B.s Kopf dermassen, dass ich wieder an einen Frosch denken musste. Ling hält die Hände der beiden, damit sie alle in ihrer Summe nicht allein sind. Die Welt ist offen und glücklich. Dass die KIs schwanger wurden, überraschte mich auch.
Iris kugelt den trockenen, sauberen Marillenkern hinter der Ablage hervor, spaltet diesen dann nicht, sondern schlitzt sich selber auf - um vielleicht ihren eigenen Kern zu finden? „Es ist soweit“, beschliesst sie und verlässt die Wohnung, wo am Lift jedoch Erics Gesicht auftaucht - hier erschrak ich richtig, das hatte ich nicht erwartet. Das folgende Intermezzo mit dem zweimaligen Klacken von Erics Schlüssel auf der Holzablage liess mich auch fragen, ob Iris wohl nur geträumt hat, sich Dinge vorstellt oder aus ihrem Innern Geschichten hervorholt, weil sie mit allen verbunden ist. Die Geschichte, die sie an diesem Abend erzählt, scheint sie nicht wirklich erlebt zu haben „es ist nur eine Geschichte“ (die sie abruft und umerzählt?). Die Aussicht auf einen Ausflug nach East Farmingdale, wo sie auf Doktor Evil und Frankensteins Kreatur trifft, auf dem Paradise Express fahren kann, Frösche ziehen und grosse Stoffpuppen gewinnen kann, lässt sie ihren Schmerz sofort heilen. Ich fragte mich auch, weshalb nur drei Gedecke, statt wie letztes Mal vier, aufgetischt sind.
Den deftigen Schluss werde ich bestimmt noch einmal lesen. Iris bricht aus, geht ohne Hüllen und noch ohne Zweck, sammelt Eindrücke und sortiert sie für ein nächstes Leben. Iris kennt alle Wege. Alle Dinge sind in Bewegung, weil alles lebt.
Mir gefielen die Kapitel mit Ada und ihrem Leben am besten, weil mich die Aufbereitung ihres Lebens in dieser Weise voll eingenommen haben, ich staunte, was Frau Clavadetscher daraus gemacht hat und wie sie vermochte, ein so scharfes Bild dieser Figur wiederzugeben. Grossartig.
Ich freue mich auf das Gespräch heute Abend und hoffe, dass sich die Lücken und meine vielen offenen Fragen noch etwas klären werden.