Buchcover deutet eindeutig auf Irland, Titel allerdings auf die USA. Der Klappentext machte neugierig; das Porträt des Autors ebenso.
Am Anfang merkt man nicht, dass die Story nicht heute, also im digitalen Zeitalter, spielt. Alles wirkt normal, kommt einem bekannt vor, bedient sich der Eigenschaften, die man bestimmten Nationen, z.B. Italienern, zuschreibt, und zwar so bildhaft, dass man froh ist, dass die Hauptperson Alice (eigentlich Eilis) das Weite sucht, nach Hause, Irland, flieht.
Im Laufe der Story merkt man allerdings, dass sie in den 1980ern oder 1990ern spielt, weil viel Bezug auf Nixon, den Vietnamkrieg usw. genommen wird, ohne den Komfort des Handys und PCs. Auch Rauchen und Trinken gehört zum guten Ton.
Ein unehliches Kind ist für Alice der Startschuss aus ihrem italoamerikanischen Familienclan auszubrechen. Statt in eine andere Stadt zu ziehen, macht sie eine gravierende Zäsur: sie reist zurück nach Irland, ihre Heimat. Dort fällt sie genauso auf wie in den USA: wegen ihres Akzents und des Aussehens. Familie und Bekannte sind ihr fremd geworden, Kindheitserinnerungen dafür geblieben. Wie auch ihre Jugendliebe und Fast-Ehemann Jim. Ihre ehemals beste Freundin Nancy, Witwe, geht ihr aus dem Weg, hat sie doch zwischenzeitlich mit Jim angebandelt. Dieser steht selbst am Scheideweg, nachdem Alice wieder aufgetaucht ist. Alice’s Grund ,warum sie ihre Zelte so abrupt abbrach, kommt nie zur Rede; es wird in Erinnerungen geschweift, der Dorf-Alltag ist omnipräsent, die Kirche ebenso. Angst vor Klatsch veranlasst die Protagonisten (Alice, Nancy, Jim) zur Heimlichtuerei, als seien sie noch Teenager. Alles riecht nach Ab- und Ausbrechen von alten Brücken und Normen. Als man schon aufatmet, dass alles wieder gut wird, kommt eine unerwartete Wendung. Und dieser folgt kurz darauf ein überraschendes offenes Ende. Idealer Plot für eine Telenovela.
Die Atmosphäre in Irland kommt sehr gut durch; man spürt, riecht, sieht und taucht in die grüne Insel ein - krasser Gegensatz zum hektischen Amerika. Pubs, Häuser, Traditionen, Menschen und über allem die Kirche, Religion, der sich jedermann unterzuordnen hat: Männer sind noch Männer, Frauen wissen, wo ihr Platz ist.
Fazit: Ein Buch, wie ein Spielfilm - mit offenem Ende. Der Roman ist zwar neu, aber es scheint, als ob der Autor das Manuskript erst jetzt nach Jahrzehnten wieder hervorgeholt und herausgegeben hat. Offensichtlich ist es die Fortsetzung von “Brooklyn”, was ich nicht wusste, das aber auch nicht explizit im Klappentext erwähnt wird.