Tanja25 «SEINETWEGEN» Einige Gedanken zu Teil 3, pp. 122-201
Mich als Leser verfolgt die Frage: Wird die verwünschte Begegnung ihres Vaters mit dem Töter zur erwünschten Klärung zwischen Tochter und Unfallverursacher?
„Hätte, hätte, Velokette.“
Manchmal fantasiere ich, was passiert wäre, hätte ich Traxler zu Lebzeiten aufgesucht, sagen wir, als ich 40 war (auf jeden Fall älter als 33, jenes paralysierende Alter, von dem ich als junger Mensch sicher war, dann würde ich sterben, so wie Vater, ich hatte sogar den Tag errechnet, an dem es geschehen würde), noch keine Schriftstellerin, aber schon eine Autorin, und er Ende 60, ein alleinstehender Pensionär.
Er hätte von seinen Schuldgefühlen gesprochen und seinen Albträumen, er hätte sich entschuldigen können, es hätte sich etwas aufgelöst, für ihn, aber auch für mich. 193
Albert Camus wäre lieber mit dem Zug gefahren, steigt aber in Michel Gallimards Wagen und stirbt am 4. 1. 1960 beim Aufprall auf einen Baum. Manfredi del Buono ist im August 1963 ohne seine Frau und sein Kleinkind aus Davos mit seinem Bruder abgereist und in einer Frontalkollision gestorben.
Die Suche nach dem Umfallverursacher nimmt im 3. Teil (endlich) rasant Fahrt auf, alles ist aufgegleist: Eine Frau im Altersheim kennt ihn: Der Ernst Traxler, der so viel Wein getrunken hat? 130 Dann endlich die Prozessakten, lokale Zeitung 163, dann meldet sich ein Historiker des Staatsarchivs 163 und plötzlich liegt alles offen da. 164
Als neue, dominante Komponente kommt Mitleid auf, Mitleid mit Magdalena Traxler, Mitleid mit den Menschen in Südafrika, Mitleid mit Anna Göldi und schliesslich Mitleid mit Traxler.
Im angetönten Vergleich mit ET findet eine Besinnung, eine Korrektur der Vorurteile statt, und nach und nach ergeben sich strafmildernde Begebenheiten:
o Auf dem Fuhrwerk waren Milchkannen. 175. Vielleicht ist es aber doch etwas anderes, denn ein Heuwagen hätte keinen Blick nach vorn erlaubt, womöglich hätte Traxler nicht überholt. Aus dem imaginierten alten Heuwagenlenker ist ein Milchkannenbub geworden. 176
o Traxler wurde als ausserehelicher Sohn der Hedwig Traxler geboren. 183…noch so ein Frauenschicksal 184
o Traxler ist nie mehr Auto gefahren, hat erst 40 Jahre später wieder Fahrstunden genommen und musste jahrelang Regress an die Versicherung abstottern.
o Er scheint seinen Kummer im Alkohol ertränkt zu haben.
Und dann die beiden Killer-Argumente: Ein schwuler (wir erinnern uns an die Hinweise mit Henri und «Broke Back Mountain») Hundefreund, das hat mir gerade noch gefehlt. 142.
Nach dem Outing der Autorin erkennt selbst der Leser zwei verbindende Gemeinsamkeiten, und als Resultat ändert sich der Blickwinkel, weil alles in freundlichem Licht erscheint und E.T. plötzlich kein Phantom mehr ist, sondern ein Mensch 144: Der Einzige, dem ich irgendwie nähergekommen bin, ist Ernst Traxler. Pervers irgendwie. 155
Und so fallen mir nach und nach die entgeisterten Gesichter jener Leute ein, denen ich erzählt habe, ich würde den Rowdy suchen, der meinen Vater auf dem Gewissen hat, und wie erleichtert sie jetzt wohl wären, dass ich den armen Mann nicht mit der Vergangenheit konfrontieren kann. 130
Wir erfahren auch viel über die Mentalität der 60er und 70er: Dadurch, dass das Schweigen eine Gemeinschaft äusserlich zusammenhält und innerlich zersetzt. 123 //…wahrscheinlich wollte Mutter einfach in Ruhe gelassen werden und in ihrem Kummer wohnen. 183
Zum Abschluss ist da der versöhnliche Ausklang mit dem Betrachten der digitalisierten Filmrollen, in dessen Szenen sie die Liebe ihrer Eltern nachvollziehen kann.
Neun Jahre haben sie zusammen gehabt. p.200