Nicht schon beim Lesen der ersten Seiten trat Begeisterung ein. Aber dann hat mich Percival Everett mit dieser feinsinnigen, fesselnden Geschichte vollkommen eingenommen.
Im Leben von Zach Wells, dem Hauptprotagonisten gibt es kaum etwas, das ihn fasziniert, ihn wirklich bewegt und das er mit Leidenschaft tut. Seinem Beruf als Paläontologe und Dozent geht er mit der einer gewissen Gleichgültig nach, genau so, wie er beiläufig seine Ehe lebt. Das einzige, was er ganz zärtlich, tief ins Herz geschlossen hat, das ihm eine wahre Freude bereitet und ihm etwas bedeutet, ist seine Tochter. Die Tochter erkrankt, die Diagnose erschütternd. Für Zach und seine Frau bricht eine Welt zusammen.
Was das mit Zach macht und wie er mit dieser Katastrophe umgeht, macht den Hauptteil der Geschichte aus. In einem weiteren Erzählstrang, der nicht immer gleichzeitig und gleichgewichtig mitspielt, geht es um einen geheimnisvollen Hilferuf. In einer gebraucht gekauften, online bestellten Jacke hat Zach einen Hilferuf gefunden. Dem geht er nach.
Hilft es einem, wenn man jemand retten kann? Das ist eine der Fragen. Weiter thematisiert wird die Beziehung zwischen Zach und seiner Frau, die durch diese grosse Belastung enorm herausgefordert ist, das Funktionieren als Ehepartner und als Eltern, das richtige Handeln ihrem Kind gegenüber. Und immer wieder der Schmerz über das Zerbrechen von dem, was Bedeutung hat in seinem Leben.
Wie Percival Everett diese Geschichte erzählt finde ich sensationell. Er schreibt mit einem so grossen Feingefühl, einer grossen Zartheit von den Kämpfen, die Zach auszustehen hat. Wenn er mit seinen Studenten zusammen ist, Vorlesungen hält und gleichzeitig in Gedanken bei seiner geliebten Tochter ist. Was ihm durch den Kopf geht, was er bereit wäre zu opfern, um sie retten zu können. Selbstverständlich keine realistischen Gedanken, aber doch vermag der Autor genau das auszudrücken, was in einem Menschen vorgeht, wenn er fürchtet, das Liebste zu verlieren. Genau so präzis kann er auch jenen Zach bringen, dem das, was er tut, kaum etwas bedeutet.
Eine grosse Leseempfehlung. Ich will mehr lesen von diesem Autor.
Sarah (die Tochter) war drei Monate als, und obwohl ich bei allen mit dem Vatersein verbundenen Ängsten glücklich war, war mir meine Liebe zu meiner Tochter bis zu diesem Tag abstrakt, amorph, distanziert vorgekommen. Ich wischte mir gerade ihren sauren Speichel vom Hemd, als ich in ihr ziemlich ausdrucksloses kleines Gesicht sah, und es war um mich geschehen. Restlos. Vollständig. Unverzeihlich. Und nun war ich hier auf diesem öden Berg, in diesen Wäldern, und ging ihr hinterher. Falls ein Bär oder ein Puma aus dem Unterholz käme, würde ich ihn mit blossen Händen töten, um sie zu beschtzen. Meine einzige Aufgabe im Leben bestand darin, dieses kleine Tier am Leben zu halten, ….