Die Lektüre von Eine kurze Geschichte queerer Frauen war für mich eine Suche nach (historischen) Vorbildern. Denn in meinem Umfeld gibt es davon keine und ich war auch gespannt, welche mir noch unbekannten Menschen ich durch Kirsty Loehrs Buch kennenlernen würde.
Auf letzteres lässt sich sagen: eine ganze Menge! Ich war überrascht, wie viele Namen mir nichts sagten. Das Buch ist grob chronologisch aufgebaut. Die erste namentlich vorgestellte Frau ist Sappho (ca. 630 – ca. 570 v.u.Z.), Loehr geht aber auch darauf ein, wie sich einige der Vorstellungen über lesbische Frauen und andere queere Menschen historisch entwickelten. Es gibt zudem immer wieder Zeitsprünge, wenn sich die Leben mehrere vorgestellten Frauen überschnitten.
Häufig nahm Loehr das Wirken einer der vorgestellten Menschen zum Anlass, um auf die Entwicklung der Rechte von Queers generell und Lesben im besonderen einzugehen. Auch wirft sie häufig einen Blick darauf, wie mit Frauen umgegangen wurde, die Beziehungen mit anderen Frauen führten – über Leugnung („sie waren beste Freundinnen …“), zu Verfolgung (Hexenverbrennungen), zu Fetischisierung („ich wollte schon immer mal einen Dreier …“).
Mir hat der sehr sarkastische Tonfall Loehrs gut gefallen, wie beispielsweise folgendes Zitat: „Was ist unamerikanisch, werdet ihr euch fragen? Tja, Hollywood, Kommunist:innen, Queers, Frauen mit Karriereplänen, Menschen ohne rassistische Ansichten – ihr wisst schon, das Übliche.“ (S. 99 tolino-Ausgabe). Davon gibt es im Buch eine ganze Menge und ich hätte mich regelmäßig wegschmeißen können vor Lachen. Es entspricht genau dem, wie auch ich häufig mit wütend machenden Themen umgehe.
Im Übrigen lässt sich noch sagen, dass Kirsty Loehr sich offenbar Mühe gab, auch Frauen und Queers von außerhalb Europas und Nordamerikas einzubeziehen. Im Endeffekt sind die meisten der vorgestellten Frauen dennoch weiße Frauen aus den beiden genannten Weltregionen. Auch gibt es nur wenige trans oder nichtbinäre Menschen, die vorgestellt werden. Ich mache Loehr das nicht unbedingt zum Vorwurf: schon bei weißen cis Frauen gibt es wenige historische Quellen (das Patriarchat lässt grüßen …), bei rassifizierten und/oder genderqueeren Menschen ist es ungleich viel schwerer, Quellen zu finden.
Ich wünsche mir dennoch, zukünftig mehr Bücher wie dieses mit einem Fokus auf Women und Queers of Colour zu lesen. Ganz generell wünsche ich mir mehr Bücher wie dieses und auch mehr Bücher von Loehr, die mit ihrem Tonfall genau meinen Humor trifft.
Von mir also eine dicke Empfehlung für Eine kurze Geschichte queerer Frauen, das einer Geschichtsschreibung ohne Queers und ohne Frauen entgegenwirkt.