Späte Ernte - Der Titel könnte nicht treffender zum Inhalt passen. Er verrät in aller erster Linie das Setting und die Rahmenhandlung. Erst allmählich und vollends mit der letzten gelesenen Seite, wird jedoch klar, dass man nie genau weiss, was man eigentlich ernten wird. So bieten alle drei Frauenfiguren, die wir in zwei unterschiedlichen Zeitfenstern betrachten, tiefe Einblicke in die eigenen Kämpfe mit sich selbst, der Umwelt und nicht zuletzt mit der Zukunft wie Vergangenheit. Denn, so eine der Kernbotschaften in diesem Buch, wir tragen immer etwas von den Generationen vor uns mit uns mit - ganz gleich ob wir wollen oder, ganz gleich ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Und wir geben auch immer etwas weiter, den Kelch, den wir empfangen haben. Den Kelch, aus dem wir trinken und in den wir unsere Ängste, Hoffnungen und Enttäuschungen einfüllen und weitergeben.
So bietet Späte Ernte nicht nur eine gelungene, äusserst ansprechende Atmosphäre inmitten der S¨üdtiroler Bergen. Sondern bleibt durchweg spannend mit einem gewissen Abtauchen in das natürlichste Menschsein. Zuweilen erscheint dieser Pathos doch etwas zu stark und zu oft wiederholt, sodass man gegen Ende langsam etwas abgestumpft wird.
Eine Schwierigkeit und Hemmnis für den Lesefluss, stellen insbesondere die Wechsel in der Erzählperspektive dar, da sowohl in der Ich-Perspektive als auch in der Sie-Perspektive erzählt wird, je nach Figur. Das mag auf Grundlage des Charakters der einzelnen Personen und mit Rückblenden nachvollziehbar scheinen und die Intention der Autorin lässt sich erahnen, dennoch will es nicht richtig funktionieren. Einerseits lenkt der Wechsel vom Inhalt ab, holt einem aus der Geschichte raus, andererseits wirken einzelne Charakter dadurch oberflächlich und stellenweise in ihrer Handlung unnatürlich.
Sprachlich ist Späte Ernte eine wahre Freude. Der Bezug zur Landschaft und zum Thema der Aussaat und Erntens als roten Faden wird stets auch sprachlich gekonnt hergestellt und wirkt weder gesucht noch zu viel, sondern einfach nur passend.
Kurzum ist Späte Ernte ein Buch mit zeitlosen, existenziellen Themen und mit abwechslungsreichen Figuren, das vor allem atmosphärisch und sprachlich überzeugt.