DrQuinzel
Wow, ich las gerade die vielen tollen und umfangreichen Berichte meiner Mitleser. Toll, wie viel Euch aufgefallen ist und man sieht, dieses Thema spricht so viele an. Auch ich hätte vermutlich nicht sofort dieses Buch gekauft. Es mit der Runde zu lesen war deutlich intensiver, weil ich dadurch angespornt wurde, mir etwas mehr Gedanken zu machen, weil ich ja dann darüber schreibe. Und das werde ich vermutlich auch gerne mitnehmen, für mich ab und an meine Gedanken über Gelesenes, Beobachtetes, Erfahrenes in schriftlicher Form festzuhalten.
Gut… ich komme zurück zum Buch. Ein Happy End habe ich nicht erwartet und das Buch hat mich von Anfang bis zum Ende nicht enttäuscht. Klar, es gab sicher einige Passagen, die ich “speziell” fand (wie man sich komplett realitätsfern vorstellen kann, dass die Familie auf Hogrep nur auf Bea gewartet haben, grosser Auftritt, Riesenemotionen). Und total genervt war ich von der Aktion mit den Möbeln, die Übergriffigkeit, dann das neu gestaltete Zuhause von Niklas zu verwüsten und dann zu rechtfertigen, es sei doch für die Mädchen. Ganz schlimm mitgelitten hatte ich beim Besuch an Weihnachten und dann der Ausschluss im Spital. Man musste Bea regelrecht aus dem Zimmer schicken. Ich konnte natürlich die Gefühle von Bea nachvollziehen, sie hat sich schon während der Ehe sehr an Niklas’ Familie geklammert, ist fast aufgegangen darin und hat sie idealisiert, so dass sie gar nicht gesehen hat, wie das Verhältnis zu Niklas war.
Niklas, da war ich schon des öfteren sprachlos beim Lesen. Wie viel er nicht gesagt und getan hat. Wie oft er sich gefügt hat und diese Opferhaltung, die wohl so weit ging, dass er sich in dieser Ehe wohl auch eher mehr gefügt als diese partnerschaftlich gelebt hatte. Wieso er Bea ursprünglich geheiratet hat, war mir dann nicht ganz so gut ausgeleuchtet und bleibt wohl eines der Rätsel, die in den Tiefen dieser Geschichte bleiben.
Beide Protagonisten sind am Ende aus dem engen Korsett von vorher in einem neuen, freieren Lebensabschnitt mit neuen Möglichkeiten. Ihnen bleibt das bisherige gemeinsame Leben und natürlich die Kinder. Ich wünsche Bea, dass sie ein wenig einfühlsamer ist und nicht so viel für andere denkt und meint, sondern dies auch offen ausspricht und kompromissbereit ist. Es muss ja nicht immer die tolle moosgrüne Küche sein, damit man die Vollendung dessen, was man sich vorstellt in der Realität ausgedrückt sieht (Familie findet ….für Bea… in der Küche statt). Und bei Niklas hoffe ich, dass er jetzt nicht das Gegenteil lebt von dem, was er vorher gelebt hatte. Dass er nicht alles kompensieren möchte, weil er so lange so viel in sich unterdrückt hat. Er muss damit abschliessen, was war und was nicht war und dann versuchen, sich mehr so zu verhalten, wie es ihm entspricht. Pausen machen, wenn er Pausen braucht und umgekehrt.
EIn weiteres Take-Away ist sicherlich, selber achtsamer im Umgang mit meinem Umfeld zu sein. Sich nicht immer nur mit den Antworten, die man bekommt abzugeben, vor allem wenn es einen manchmal von der Intuition her “kitzelt” und man merkt, da wäre doch jetzt noch mehr dahinter oder da gibt jemand jetzt aber nach. Ja, das mag unbequem sein, aber man will ja schliesslich das Leben fühlen, ohne die Menschen, die einem lieb sind zu überfahren. Und wenn man etwas fühlt, dass einem schräg kommt, sollte man das auch offen angehen, das ist man sich schuldig, oder nicht?
Danke an die Runde und an DrQuinzel.