Hallo zusammen, habt ihr gewusst, dass unter den Leser*innen unseres Book Circle auch viele Buchhändler:innen von Orell Füssli mit dabei sind? Ich bin Nina aus der Filiale Seedamm-Center Pfäffikon.

 

Seit ich lesen kann, sind Bücher meine allerbesten Freunde. Es geht die Familienlegende um, dass ich schon mit 6 Jahren auf dem Klo die Biografie von Gandhi verschlungen habe. Ob ich sie wirklich Wort für Wort gelesen habe, weiss ich nicht mehr, aber ich kann mich noch sehr gut an das braune Cover aus dem Suhrkamp Verlag erinnern, also muss ein bisschen was dran sein. J Historische Figuren und historische Romane waren also schon immer mein Ding. Wie z.B. Anna Göldin, Letzte Hexe, das wir im Deutschunterricht im Gymnasium gelesen haben. Ich war und bin fasziniert von diesen Stimmen aus Vergangenheit und Gegenwart (und auch Zukunft, denn ich lese auch gerne Science Fiction!). Sie lehren mich etwas über das innere Wunderwerk der Menschen, ihre psychologische Beschaffenheit, und ich glaube, das kommt der Magie am nächsten, die wohl ja nicht existiert, aber die sich so viele so sehnlichst wünschen. Zu wissen, dass da vielleicht noch mehr ist als der gewöhnliche Alltag und die gewöhnliche Machtlosigkeit. Dass man dann doch vielleicht eine Möglichkeit hat, etwas zu bewirken während seiner Lebenszeit.

 

Ich bin absolut davon überzeugt, dass Bücher und ihre Geschichten uns verändern können. Uns erzählen können, wie man ein kleines Stückchen weiterkommt und einen Unterschied herbeiführt. Auch wenn ich nicht wirklich weiss, ob das bei meinen Leser:innen so ist, ist es dennoch mein Ziel, ihnen die Bücher ans Herz zu legen, die sie brauchen, wenn sie zu mir in die Buchhandlung kommen. Damit sie den Trost spüren, wenn sie ins Spital müssen am anderen Tag; oder das Gefühl zurückbekommen, nicht alleine zu sein, wenn die junge 14-jährige Protagonistin sich vor ihrem Wunschprinzen total lächerlich macht; oder sich ausdenken, wie sie sich schützen würden vor einer bösartigen Mörderin, wenn sie einen Krimi lesen. (Obwohl ich persönlich da die Finger davon lasse, das ist eines der wenigen Gebiete, vor denen mich zu sehr schauert – ich habe zu schwache Nerven. J)

 

Was (oder welches Buch) hat Deine Liebe zum Lesen entfacht?

 

Ich denke, das war nicht bloss eines. Wie im Einstieg schon erzählt, war da die unerschöpfliche Neugier, die mich alles in die Hand nehmen liess, was bei meinen Eltern so rumlag, eben z.B. Gandhi, und festzustellen, dass mir eine Welt der Erfahrungen geöffnet wurde, die mir Definitionen und innere Zusammenhänge nahebrachte, die weit über das hinausgingen, was ich rein durch das persönliche Gespräch hätte aufnehmen können. So viele weit entfernte Menschen, die mich an ihren Schicksalen teilhaben liessen, die ich „im echten Leben“ niemals hätte kennenlernen können. Dazu braucht man die Bücher. Ein Buch winkt mir da aus meinen Erinnerungen noch zu: „Sofies Welt“ von Jostein Gaarder. Das hat mir wirklich meinen Horizont erweitert und Fragen beantwortet, die ich damals in dem Alter hatte – 12 – die meine Eltern trotz ihrer guten Bildung nicht auf dieselbe Weise hätten vermitteln können.

 

Welches Buch möchtest Du der Community unbedingt empfehlen?

 

Ach, das ist eine ganz schwierige Frage für mich! Meine Tochter fragt mich immer welches meine Lieblingsfarbe oder mein Lieblingstier sei, und ich kann ihr das leider immer nicht sagen, da ich mich schlicht nicht entscheiden kann J….Ich glaube an veränderliche Seelenlagen, und je nach Lage bevorzugt man ein anderes Genre. Das Spannende an der Literatur ist, dass sie so viele Strömungen hervorgebracht hat. Was ich also vor 1 Jahr empfohlen hätte, hat heute schon keine Gültigkeit mehr, weil in der Zwischenzeit eine neue Autor:innen-Stimme dazugekommen ist, die harmonischer mit meiner eigenen schwingt. Ich muss auch gestehen, dass mich die Neugier immer weitertreibt, sodass ich kein Buch zweimal lese.

Beende den folgenden Satz: Lesen bedeutet für mich…

… im Spiegel von fremden Erfahrungen meine eigenen wiederzufinden, und im besten Falle mich selbst.

Das stammt nicht von mir, sondern von Renate Nagel-Kohler, der Verlagsgründerin des Nagel & Kimche Verlag. Ich durfte sie persönlich kennenlernen, weil sie die Tante meines Mannes war. Sie ist letzten Monat verstorben, und wir waren an ihrer Beisetzung. Sie hatte ein aussergewöhnliches Leben und ich werde immer eine grosse Bewunderung für sie hegen. Ihre Worte treffen mein Empfinden voll und ganz.

Welches Buchzitat gefällt Dir besonders?

Uh, wieder so eine Frage, wo man sich entscheiden muss, und das kann ich ja bekanntlich nicht, jedenfalls nicht, wenn es um Bücher geht, denn da ist so viel Weisheit vorhanden, welcher sollte man denn den Vorrang geben?

Ich habe jetzt mal dieses hier zur Hand genommen: „Sehen Sie, wie traurig ich bin! Ich weine auch und sage das meiste nicht, niemals. Und doch sehe ich auch dies so ganz anders an und kann es wie ein Glück betrachten. Ich bin so unendlich frei in meinem Innern, wie nicht verpflichtet der Erde“. Rahel Varnhagen. Es stammt aus dem Buch „Was wir scheinen“ über Hannah Arendt von der Autorin Hildegard Keller. Ich habe im Januar an einer Lesung dazu teilgenommen, in „meiner“ Bibliothek in Rapperswil und es war ein sehr beglückender Abend.

An welchem Ort liest Du am liebsten? Wo kannst Du voll und ganz in Bücher eintauchen?

 

Ha, das ist nicht schwierig. Da ich nie ohne Buch resp. E-Reader unterwegs bin, kann ich überall und jederzeit lesen! An der Bushaltestelle, in der Seebadi im Bistro, auf der Wiese, während meine Tochter im Reitunterricht ist. Da mir zudem immer schon gesagt wurde, dass ich ein selektives Gehör habe, kann ich auch allen Umgebungslärm ganz hervorragend ausblenden J!