Hortensia13
Mich hat der Roman ziemlich schnell in seinen Bann gezogen. Ja, es ist eine schwere Geschichte. Und dies auch in einer beengenden Zeit in einer sehr konservativ religiös-moralischen Gesellschaft in Irland. Ich finde, dem Autor gelingt die Schilderung von Individuum und Gemeinschaft vor diesem Hintergrund eindrücklich gut.
Mein erstes Résumé zum ersten Teil
Colm Tóibín entwirft mit seinen Figuren genau beobachtete und differenzierte Charaktere. Er schildert meisterhaft und detailreich gesellschaftliche Eigenheiten der verschiedenen sozialen Schichten, beispielsweise in der Begegnung beim Vorstellungsgespräch von Nora bei Peggy und William Gibney. In dieser Begegnung zeigt sich auch, wie präzise und authentisch der Autor die Dialoge und die Gedanken der drei Protagonisten beschreiben kann.
Dabei beschreibt er immer wieder, wie stark der moralische Druck im katholisch-religiös geprägten Irland der 1960er-Jahre war. Ganz besonders trifft dieser Druck die Hauptfigur Nora, die als frisch verwitwete Mutter stark unter Beobachtung von Familie, Nachbarschaft und Gesellschaft steht.
Nora fühlt sich deutlich unwohl unter diesen moralischen Erwartungen ihrer Umgebung. Es brodelt spürbar in ihr. Der Drang nach Selbstbestimmung regt sich immer wieder in ihr, trotz des harten Verlustes und der Trauer über ihren verstorbenen Ehemann Maurice.
Ich erwarte in der Fortsetzung einen Befreiungskampf von Nora. Und heftige moralische Reaktionen darauf aus ihrer nahen Umgebung.
Colm Tóibín zeigt sich als äusserst genauer Beobachter jener Zeit. Und er beschreibt die Personen, ihre Befindlichkeit und ihre Motive unglaublich emphatisch und anschaulich. Ein faszinierendes Buch.